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Ich und Omas

 
Mitternacht     Die ägyptische Geschichte       Das Gruselabenteuer     Eine fast wahre Geschichte      Eine Liebesgeschichte

Die Geschichten sind von mir - Anne Pöttgen - können gern übernommen werden, ich würde aber gern erfahren, von wem.
 


Im Labor der Kuscheltiere, eine wunderbare Mär   neu

“Es war einmal eine Fee in einem weißen Gewand, die verkündete den Menschen: Weint nicht, wenn Euer geliebtes Katzentier stirbt, ich werde es wieder erwecken…..“ Und die Menschen glaubten der Fee und brachten ihr ein paar Haare oder ausgefallene Krallen ihres Tieres, damit sie daraus ihre geliebte Katze wieder auferstehen lassen würde.
Geklonte Katzen.… das sind zwei. Natürlich, wird man sagen, die Spenderkatze - tot oder lebendig – und der Klon. So gesehen sind es allerdings vier, über die viel berichtet wurde. Ein Paar aus dem Jahr 2001 und ein Paar aus dem Jahre 2004. Fangen wir mit Paar Nummer eins an: Spenderkatze Rainbow wird in einem Artikel als „Waldkatze“ bezeichnet. Sie hat auch tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einer „Norwegischen Waldkatze“, sieht aber weniger edel und erheblich fetter aus.

Der Katzenklon wurde Cc getauft, was einmal als CatCopy ein andermal als CarbonCopy – E-Mail-Versender kennen den Begriff und Büromenschen auch – erläutert wird. Ob es sich um einen Kater oder eine Katze handelt, das konnte ich nicht herausfinden. Nach den Gesetzen der Logik muss es eine Katze sein, denn die Spenderin wird Katze genannt. Aber leider ist die Bezeichnung der Art und des weiblichen Tieres gleich. Ist Rainbow ein Er oder eine Sie? Eine meiner Quellen sprach von Katern.
Der erste Klon: Erschaffen wurde Cc im Jahre 2001 in der Texas A&M University, vorsichtshalber per Kaiserschnitt entbunden. Das Team um Mark Westhusin verglich das Erbgut der beiden Tiere und es steht fest – es stimmt überein. Was nicht übereinstimmt, ist die Fellzeichnung. Die Mutter, pardon die Spenderin, hat ziemlich viel rote Farbe im Fell, das Kind, pardon der Klon, weniger. Auch ist die Musterung ein wenig anders. Wie das? Laut Aussage der Wissenschaftler wird die Fellfarbe nicht allein von den Genen bestimmt, sondern auch von anderen Faktoren während der Entwicklung. Welche das sind, wird in den Pressemeldungen nicht erwähnt.Im Übrigen soll auch die Leihmutter, hier ist der Ausdruck Mutter am Platze, erwähnt werden: sie heißt Allie. Cc war das Ergebnis des 87. Versuchs, bei 86 Embryonen war es nicht zu einem lebensfähigen Tier gekommen. Ein Foto des/der erwachsenen Cc ist bei Wikipedia zu sehen.
Und weiter? Mitfinanziert wurde die Aktion von der Firma Genetics Savings & Clone, die sich gute Geschäfte versprach. Zahlreiche Tierbesitzer hatten bereits bei dieser Gesellschaft Zellen ihrer Vierbeiner deponiert. Die gute Fee im weißen Gewand war natürlich ein Professor im weißen Laborkittel. Drei Jahre später – 2004 - gab es Presseberichte über eine weitere geklonte Katze. Der Kater Nicky war im Alter von 17 Jahren verstorben und seine Besitzerin ließ Kater „Little Nicky“ klonen. Herstellungspreis 50.000 Dollar. Zwei oder drei weitere Klontiere folgten. Ein Foto von Little Nicky  ist in einem Artikel des „Stern“ zu sehen. Trotz dieses immensen Geldaufwands war das Klonen von Katzen und Hunden für die Firma kein Erfolg. Ende des Jahres 2006 schloss sie ihre Tore. Der Klonversuch des Hundes Missy hatte die horrende Summe von 3,7 Mio Dollar gekostet und war doch misslungen.

Fakten: Klone werden mit Hilfe von embryonalen Stammzellen, d.h. im Anfangsstadium der Entwicklung befindliche Keime,  erzeugt, Zellen bei denen noch sämtliche Gene aktiv sind. Die Firma Genetics Savings & Clone hatte Tausende von Katzeneierstöcken aus Tierkliniken aufgekauft, die bei Sterilisierungen anfallen. Aus diesen Organen wurden Eizellen gewonnen, denen in einem weiteren Schritt Erbgut entnommen wird. Es wird im Experiment ersetzt durch die DNS des zu klonenden Tieres. Biologen und Tierschützer meinen: Viele Menschen machen sich nicht klar, dass die geklonte Katze nicht dieselbe ist wie das Original. Sie hat einen anderen Charakter und sie hat andere Erfahrungen gemacht. Biologische Faktoren und Umwelteinflüsse machen es unmöglich, Tiere exakt zu kopieren.

Dies ist die wahre Geschichte von Rainbow, Allie und Cc, von Nicky und Little Nicky und der – guten? – Fee. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
 

 Mitternacht     

Die Uhr schlägt zwölf Mal. Auf der Fensterbank raschelt und kruschelt es.
„Weiß jemand von Euch, welcher Tag da gerade anfängt?“
„Nein“, sagt eine etwas piepsige Stimme.
„Das kann ich mir vorstellen“, sagt der erste wieder: „Der hergelaufene Kerl kennt doch keinen Kalender.“
„Sei still“, kommt eine Antwort in einem etwas hölzernen Ton. „Nur weil du hier geboren bist, bist Du auch nicht schlauer. Oder weißt du, welcher Tag nun ist?“
Jetzt herrscht erst mal Stille.
„Na gut, ich weiß auch nicht, welcher Tag jetzt gerade anfängt. Aber was anderes: Wir kennen uns doch eigentlich schon ganz lange. Stehen oder sitzen hier den ganzen Tag auf der Fensterbank und starren vor uns hin. Können nicht mal durchs Fenster rausgucken, sondern haben immer nur den Schreibtisch vor Augen. Wir könnten uns doch jetzt mal erzählen, wo wir herkommen.“
„Ach ja, “ piepste es wieder.
„Na gut“, sagt die hölzerne Stimme.
Da hatte der Dicke, der „von hier“, mal eine gute Idee gehabt. Die Dreiergruppe war sich einig.
„Na, “ sagt der Dicke, der übrigens blau glasiert war, „fang Du doch an, du siehst aus, als kämst du von ziemlich weit her.“


"Ja, “ piepste es, „das kann man wohl sagen. Sie hat mich auf einer Ausstellung afrikanischer Künstler gekauft.“
„Sicher nicht, weil du so schön bist“, meinte der blau Glasierte.
„Vielleicht nicht. Aber ich fühle mich so gut an. Schöner glatter Stein. Ganz grau in grau.“ Das sagte er mit einem Seitenhieb auf den schwarz-weiß gemusterten Kerl neben sich. Der stand nämlich mehr auf der Seite des blau Glasierten und beachtete ihn nicht.
„Ja, und wo kommst du nun also her?“
„A-f-r-i-k-a !“
„Ho ho ho,“ lachte es hölzern und
„Ha, ha ha“, machte der Glasierte.
Aber sie glaubten es ihm doch, denn er sah so ganz anders aus als sie beide und sie gehörten doch alle der gleichen Art an. Sein Mund war so üppig. Und seine Ohren, ja spitz waren sie, aber sooo lang.
„Und deshalb siehst du so anders aus?“ fragte die hölzerne Stimme und starrte ihn mit seinen kugelrunden Augen an.
„Nein, nicht weil ich aus Afrika komme, sondern weil der Künstler, der mich gemacht hat, mich „Catbird“ nennen wollte und da musste er ein bisschen an meiner äußeren Form arbeiten". 


„Aha“, mehr brachte der Glasierte nicht über die Lippen.
Nach einer kleinen Pause, in der alle drei wieder stumm vor sich hin starrten, holte der Glasierte tief Luft und meinte:
„Also, ich bin von hier. Das wisst ihr ja. Dahinten die drei Kleinen auch, aber die können nicht mitreden, die sind nicht glasiert.“
„Ja, und was heißt das nun wirklich „von hier“?
„Ich bin hier, hier in diesem Dorf gemacht worden. Aus Ton.“
Das sagte er ganz kurz und ein bisschen bescheiden. Ton war ja nichts gegen Stein. Aber dafür glänzte er und der andere sah matt aus. Das baute ihn gleich wieder auf.
„Und du, mein Lieber“, sagte er zu dem Hölzernen, „wo kommst du her?“ 

„Aus Polen“ sagte er stolz.
„Aus einem kleinen Dorf in Polen, in dem viel geschnitzt wurde. Hauptsächlich Männer und Frauen und Heilige. Hin und wieder mal eine Katze, so wie ich, oder Vögel.“
„Und hast du auch einen Namen?“ piepste Catbird.
„Nein, ich glaube nicht. Vielleicht hatte ich mal einen in meinem Dorf, aber dann habe ich ihn vergessen“.
„Tja, und du?“ fragte er den blau Glasierten. Er wusste aber schon vorher, dass der auch keinen Namen hatte.
„Wozu brauche ich einen Namen“ gab der ziemlich heftig zur Antwort.
„Wer soll mich denn anreden?“
„Na, wir beide, jedenfalls in Nächten wie dieser.“


Es zeigte sich immer mehr, dass Catbird dabei war, die Oberhand zu gewinnen. Und der blau Glasierte, der sich bisher als Hauptfigur in der Dreierrunde gesehen hatte, wurde immer giftiger. Er überlegt schon, ob er sich auf Catbird stürzen sollte, um ihm eine zu verpassen, aber seine Vorderpfoten, schöne Vorderpfoten, gewiss, waren nicht recht dazu geeignet.
Und letzten Endes, wer würde den Sturz von der Fensterbank besser überleben? Ton oder Stein? Und er sah schon, der Hölzerne hielt sich raus.
"Was meint Ihr denn, wie soll ich mich nennen?" fragte der blau Glasierte nach einiger Zeit.
"Das musst Du schon selber wissen, du tust doch sonst so schlau", piepste Catbird und blickte irgendwie hochnäsig auf den blau Glasierten herunter. Und ebenso hochnäsig ging er mit dem Hölzernen um.
"Und du, du Holzkopf, warum sagst du nichts?"
Der Hölzerne, der stur geradeaus starrte, fühlte sich aber nicht stur sondern bekam einen Wutanfall. Holzkopf? Er fing an, leise vor sich hin zu schaukeln und wupps, stieß er gegen Carbird, der nicht allzu fest auf seinem Bein stand - ja, er hatte leider nur eins - und der rutschte von der Fensterbank und knallte mit lautem Krach auf den Boden.
Dem blau Glasierten wurde angst und bange. Hatte er seit langem neben einem Berserker gesessen? Er überlegte, wie seine Chancen standen, auf der Fensterbank sitzen bleiben zu können. Gut standen sie, denn er saß fest auf seinem dicken blauen Popo. So beruhigt er sich, seine blauen Augen blickten himmelwärts und er beschloss, einfach den Mund zu halten.
Der Hölzerne saß wieder artig auf seinem Platz. Catbird gab natürlich auch keinen Ton mehr von sich. Er war froh, dass er noch alle Glieder beieinander hatte und hoffte, dass "Sie" ihn am Morgen wieder auf seinen angestammten Platz setzen würde.
Und so war wieder Ruhe eingekehrt, schon ehe die Uhr die nächste Stunde schlug.

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Eine Liebesgeschichte 

"Je t'aime mon amour."
Um Himmelswillen, jetzt ging das wieder los. Der dicke schwarze Kater nahm die Pfote von seinem rechten Auge und blinzelte in Richtung Wohnzimmertür. Da waren sie auch schon. Sein Jan und – herrje, schon wieder eine andere Dame. Gestern hatte noch Sybille diese Worte gehört, heute vorbei. Jetzt hieß es für ihn, vom Bett herunter und nach nebenan. Diese blödsinnigen Geräusche konnte er nicht ausstehen, da schlief er lieber auf dem Teppich vor dem Kamin.
Lange dauerte es nicht, da kam Jan auf bloßen Füßen aus dem Schlafzimmer und ging in die Küche. Jetzt holt er den Champagner, dachte der Kater, und richtig, er kam pfeifend aus der Küche mit einer Flasche und zwei Gläsern und verschwand wieder im Schlafzimmer.
Nachdem sie lange gejuchzt und gelacht hatten, kamen sie beide ins Wohnzimmer und vertrieben den dicken schwarzen Kater vom Platz am Kamin. Er in Hemd und Hose, sie nur mit einem Herrenhemd bekleidet. Wie ich diese Abende hasse, dachte der Kater und ging wieder hinüber ins Schlafzimmer. Zurückkommen würden sie nicht, Jan war schließlich schon fünfundvierzig.
Aber er war Kavalier. Bella, die Neue, zog sich an und beide verschwanden. Er brachte sie nach Hause.
Singend kam Jan zurück, zufrieden. Er kramte noch ein bisschen in seinen Skizzen, dann kam auch er ins Schlafzimmer und bald schliefen beide, sozusagen Arm in Arm, denn der Kater hatte seinen Platz im Bett wieder eingenommen. Schnarchen taten sie beide.

Draußen regnete es und so schlichen beide erst spät in die Küche. Der Kater bekam sein Näpfchen gefüllt und Jan machte sich eine Kanne Kaffee. Morgens war er längst nicht so gut in Form wie später am Tag. Heute war er besonders lustlos, schlurfte durch die Wohnung, nahm dies und das zur Hand, nur die Tür zu seinem Atelier mied er. Da warteten mehrere Bilder auf ihn, die zu einem bestimmten Termin fertig werden sollten. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen, eine Ausstellung zu machen? Das hatte er den Kater schon mehrmals gefragt, aber der hatte keine Lust ihm zu antworten. Beide wussten doch, warum. Aus Eitelkeit.
Das Telefon klingelte.
„Ja natürlich, Herbie, ich bin fleißig dabei." Herbie der Galerist.
„Das glaubst du nicht? Dann komm doch vorbei und sieh es dir selbst an."
„Ja, dann bis gleich"."

Hektisch rannte Jan durch die Wohnung, um Ordnung herzustellen. Dann ins Atelier, die Palette vorbereitet. Als es dann klingelte, sah es tatsächlich so aus, als ob er schon seit Stunden arbeitete.

Herbie schien begeistert zu sein, der dicke schwarze Kater hörte seine Ausrufe.
„Ja, so habe ich mir das vorgestellt, großartig. Aber wirst du auch fertig?"
„Aber sicher, Herbie, ich habe noch nie jemanden hängen lassen. Und wenn ich Tag und Nacht arbeiten muss."
„Da wird Sybille aber ärgerlich sein," meinte Herbie und grinste. Jan grinste zurück und sagte:
„Mit Sicherheit nicht."
„Das ist beruhigend, dann hast du ja wirklich Zeit, um die Bilder fertig zu machen."

Das Telefon klingelte und es begann ein Gespräch mit äußerst einsilbigen Antworten von Jan. Herbie wedelte mit der Hand, verschwand aus dem Atelier und machte es sich im Wohnzimmer bequem. Er war zufrieden und sprach äußerst liebenswürdig zu dem dicken schwarzen Kater, der sofort Anstalten machte, auf seinen Schoß zu springen. Aber soweit ging die Liebe nicht, schließlich hatte Herbie einen seiner besten Anzüge an.

„Ich will ja nicht indiskret sein, aber es sieht so aus, Sybille ist doch nicht damit einverstanden, dich mal eine Zeit lang nicht zu sehen."
„Wie recht du hast," antwortete Jan. „aber jetzt trinken wir erst mal was. Was möchtest du?"
„Um die Zeit nur Kaffee oder Sekt."
„Also Sekt."
Wieder kam Jan pfeifend aus der Küche mit einer Flasche und zwei Gläsern. Champagner war den Damen vorbehalten, wusste der dicke schwarze Kater.
„Hast du auch alle Pressekontakte aufgegriffen, Herbie?"
„Na klar doch, ist doch auch für die Galerie wichtig."
„Und die Einladungen sind vorbereit?"
„Ja, die Entwürfe bringe ich dir in den nächsten Tagen vorbei. Ich hoffe, dass du nicht mehr allzu viel ändern willst."
„Nein, nein, jetzt nicht mehr."

Herbie seufzte leise, Jan dagegen ungeniert laut. Der Kater dachte mit Schrecken an die Sitzungen wegen der Einladungen. Jan konnten sie nicht groß und prächtig genug sein, Herbie dagegen, ein Jungfraugeborener, kämpfe um jeden Cent, den er einsparen konnte. Schließlich ging alles zu seinen Lasten. Das hatte er auch jetzt wieder gedacht, denn als Jan, der ab und zu Gedanken lesen konnte, sagte:

„Ja, ich weiß, dass das alles zu deinen Lasten geht," lachte er laut und knuffte Jan in die Seite.
„Na, dann prost nochmal."

Beide schienen zufrieden zu sein. Das freute den dicken schwarzen Kater, denn er liebte seinen Jan, auch wenn er häufig Grund zur Eifersucht hatte. Aber er dachte auch ein bisschen eigensüchtig. Wenn Jan so gut gelaunt blieb, ging er sicher gleich ins Atelier, um zu arbeiten, wenn Herbie weg war. Das war wichtig, denn von irgendwas musste ja das Essen gekauft werden.

Richtig, Jan lehnte sogar die Einladung zum Essen ab.
„Du, ich bin mitten in der Arbeit, das trocknet mir sonst ab. Aber ich wünsch dir guten Appetit."

Jan ging ins Atelier, der dicke schwarze Kater auch, obwohl er den Geruch der Farben nicht mochte. Aber er wollte bei seinem Jan sein. Jan stellte das Radio an, griff zum Pinsel, griff zum Spachtel, die Farben flogen nur so auf die Leinwand.

Wenn die Leute wüssten, wie schnell das geht, ein Bild zu malen, dann würden sie sicher nicht soviel dafür bezahlen, dachte der Kater. Diese Weisheit hatte er von seinem Jan, der ihm alles anvertraute, was er so dachte über die Leute und über das Leben. Erst recht nicht, wenn sie wüssten, wie viel Spaß es machte, so mit den Farben zu kleistern. Für seinen Spaß würden sie gar nichts bezahlen.
In Wirklichkeit zahlten sie ja auch gar nicht für das Bild, für das sie siech entschieden. Sie zahlte dafür, dass sie in Zukunft damit angeben konnten, einen „Jan Soundso" an der Wand zu haben, für den sie soundsoviel gezahlt hatten, wie sie jedem Besucher hinter vorgehaltener Hand erzählen konnten. Verstehen könnte ihn sowieso niemand, hatte er dem Kater anvertraut.
Aber anscheinend gab er die Hoffnung nicht auf, sonst würde er doch nicht immer wieder neue Menschen, vorwiegend natürlich Frauen, hierher schleppen.
Jetzt wurde aber erst einmal wie wild gearbeitet. Zwei Bilder in zwei Tagen, das war Rekord. Morgen, mit etwas Abstand, dann der letzte Schliff.
Jetzt hatte der dicke schwarze Kater Hunger. Ob es bald etwas gab? Auch der Jan müsste doch auch einmal etwas essen. Nur Kaffee am Morgen und Sekt am Nachmittag, das konnte ja wohl nicht ausreichen. Der dicke schwarze Kater erhob sich, streckte sich und strich Jan um die Beine. Der merkte das gar nicht, so vertief war er. Da half nur ein ganz gemeines Quäken. Nein auch nicht. Weiter zu betteln, das war unter seiner Würde. Er machte die Tür zum Wohnzimmer auf und ging weiter in die Küche, vielleicht lagen irgendwo noch ein paar Kräcker. Nein. Schwer verärgert ging der Kater ins Schlafzimmer, öffnete die Tür des Kleiderschrankes und legte sich auf ein frisch gebügeltes weißes Hemd.
Nach einiger Zeit hörte er Jan in der Küche rumoren. Aha, Abendessen aus der Dose. Er zögerte kurz, ob er gehen sollte oder nicht, aber dann überwog sein ganz gemeiner Hunger und er rannte so schnell er konnte, in die Küche.

„Na, wo bleibst du denn? Hattest wohl heute gar keinen Hunger?"

Der Kater bekam einen kurzen Wutanfall, wusste aber nicht, was er tun sollte, um ihn auszudrücken. Es war nicht leicht mit Jan.
Lustlos schaufelte Jan sein warm Gemachtes in sich hinein. Spülte Bier hinterher und starrte vor sich hin. Was sollte er tun, hier bleiben oder einen Gang ins Städtchen tun. Diese Überlegung stellte er beinahe jeden Abend an. Mal sprach er laut mit dem Kater darüber, mal dachte er leise vor sich hin. Aber dass es jeden Abend dasselbe Problem war, das wusste der dicke schwarze Kater ganz genau.
Gang ins Städtchen tun, das hieß, diese und jene Kneipe besuchen, etwas trinken, etwas essen, etwas quatschen. Und anquatschen natürlich. Und manchmal abschleppen. So wie gestern Bella. Wie der Kater das hasste. Es war ja ganz nett von Jan, dass er ihm aller erzählte, aber leider konnte er Jan nicht sagen, wie unangenehm es für ihn war, sich immer wieder auf eine Neue einzustellen. Kaum hatte er sich an eine gewöhnt, war sie schon wieder passee.
Außer Sybille, die hatte ziemlich lange das Feld behauptet. Und sie hatte seinen Jan glücklich gemacht, das hatte er ihr hoch angerechnet. Sie durfte ihn streicheln, sogar auf den Arm nehmen. Ob sie wohl wiederkommen würde, obwohl gestern diese Bella aufgetaucht war? So ging es ihm durch den Kopf, während er ziemlich schnell seinen Napf leerte.
Jan schien ähnliche Gedanken zu wälzen.
"Ob ich die Sybille mal anrufe?" fragte er den Kater und sah ihm beim Putzen zu.
Tja, das musst du selber wissen, dachte der Kater und putzte sich weiter. Ihm wäre es schon recht. Aber Jan schien sich an das Telefonat von heute Morgen zu erinnern. Da waren harte Worte gefallen, der Kater hatte es mithören können, so laut hatte Sybille gesprochen. Gesprochen? Geschrieen!
Jan verschwand im Schlafzimmer, zog sich an und kam gut gelaunt wieder heraus.

„Na, dann geh ich mal, mein Dicker."
Der dicke schwarze Kater wäre auch gern auf Pirsch gegangen, aber das war nicht möglich. Jan hatte es ihm oft genug erklärt. Und oft genug hatte er ihm erzählt, wenn wieder mal die Katze eines Freundes „platt gefahren" worden war. Was für ein grässliches Wort! Er konnte sich eigentlich nichts Genaues darunter vorstellen, aber er hatte ein scheußliches Gefühl, wenn er es hörte. Also strich er nur durch die Wohnung, von der Küche in die Diele, ins Wohnzimmer, ins Schlafzimmer, zurück ins Wohnzimmer und dann ins Atelier.
"Je t’aime mon amour."

Schon wieder. Diesmal schon an der Korridortür. Aber irgendetwas war anders. Kein Schwung in der Stimme, eher ein Lallen. Der dicke schwarze Kater flitzte vom Bett herunter. Stockbesoffen – übrigens ein Ausdruck, den er selber oft gebrauchte – kam Jan ins Wohnzimmer, allein. Dabei war er so gut gelaunt losgezogen. Hatte auch gut ausgesehen.
Der nächste Morgen war noch grauer als der letzte. Und der Schnapskater schlimmer als der von Champagner. Heute würden wir am liebsten im Bett bleiben. Aber der Kater trieb Jan und der Hunger den Kater aus dem Bett. Erstmal ein großes Glas Wodka und ein Napf Dosenfutter.
"Musste das sein, mein Dicker? Konnten wir nicht schön zu Hause bleiben?"
Wir ist gut, dachte der dicke schwarze Kater und zwinkerte in bisschen.
"Weißt du, was Sybille gesagt hat? Nein, natürlich nicht. Ich sag es dir jetzt: Du bist für mich gestorben, ein für allemal, tot, begraben."
Der Kater zwinkerte weiter.
"Gestorben, begraben, die wird sich wundern. Ich bin lebendiger als vorher. Na, ja, heute Morgen nicht gerade. Aber später am Tag, da bin ich lebendig. Der werde ich es zeigen."
Der Kater überlegte, was Jan der Sybille wohl zeigen wollte. Bilder natürlich, was hatte er sonst zu zeigen? Sie schlurften nach nebenan und Jan fing an Farben zu mischen. Zusehends wurde seine Laune besser und nach einer Viertelstunde war er so vertieft, dass er alles um sich herum vergessen hatte. Der Kater kuschelte sich unter der Heizung ein. Er würde nichts verpassen, wenn er jetzt ein kleines Schläfchen machte.
Aber …
Es klingelte wie wild an der Tür. Jan schreckte hoch und knallte unwirsch Pinsel und Putzlappen auf den Tisch. Wehe, wenn jetzt jemand störte, der keinen triftigen Grund hatte. Der dicke schwarze Kater lief hinter Jan her zur Tür und wartete mit ihm darauf, wer wohl aus dem Fahrstuhl kommen würde.
"Herbie, du schon wieder, du störst mich heute aber."
"Jan, hör doch erst, Sybille ist verschwunden!"
"Wieso verschwunden, gestern Abend hat sie mich doch noch wie irre beschimpft."
"Sie ist nicht nach Hause gekommen heute Nacht. Ihre Mutter hat herumtelefoniert wie wild. Niemand weiß, wo sie ist."

„Na, komm erst mal rein. Dann überlegen wir mal, wer sie wohl abgeschleppt haben könnte."
"Erlaube mal, so eine ist Sybille nicht, das musst du doch wohl am besten wissen."
"Ja, das hast du eigentlich recht. Aber gestern Abend war sie so wütend wegen Bella, da trau ich ihr alles zu."
"Aber sie ist allein weggegangen aus dem Berger Hof."
"Dann ist sie eben noch in eine andere Kneipe gegangen."
"Um die Zeit hat keine mehr geöffnet, das weißt du doch."
"Stimmt," sagte Jan und ließ sich auf seine Couch fallen. Er strich sich mit beiden Händen durchs Gesicht und sah danach aus wie ein Indianer auf Kriegspfad. Herbie starrte ihn an, aber es war ihm nicht nach lachen zumute.
"Wieso kümmerst du dich eigentlich um Sybilles Verschwinden? So gut kennst du sie doch gar nicht und ihre Mutter erst recht nicht."
Herbie sah verlegen zu Boden.
"Mensch, Herbie, du bist doch nicht etwa scharf auf sie?"
"Scharf auf sie ist nicht der richtige Ausdruck, mein Lieber. Ich habe Sybille gern."
Schweigend saßen die beiden da. Der dicke schwarze Kater hatte längst kapiert, dass da für ihn nichts zu holen war. Er legte sich beiseite, schloss die Augen, spitzte aber seine Ohren. Immerhin ging es um Sybille.
"Was sollen wir also tun, Herbie?"
"Ich dachte, wir gehen zum Berger Hof und von da aus dann doch in alle umliegenden Kneipen und fragen nach."
"Kommt mir vernünftig vor. Ich zieh mich eben um."
Jan ging ins Schlafzimmer, raste aber gleich danach durchs Wohnzimmer und ins Badezimmer. Mit rot gescheuertem Gesicht kam er wieder zurück und machte sich fertig.

Es war schon spät am Nachmittag, grau und dunkel. Die Korridortür ging auf, schweigend kamen Jan und Herbie ins Zimmer.
"Whisky?" fragte Jan.

„Ja."
Schweigend saßen die beiden Männer da.
"Es tut mir jetzt verdammt leid, diese Sache mit Bella."
Jan stellte sein Glas ab und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab.
"Aber weißt du, Sybille hatte in letzter Zeit immer mal wieder von Heirat gesprochen, das hat mich ziemlich genervt."
"Du wolltest ihr zeigen, dass du immer noch jede haben kannst, und dass du nicht darauf verzichten willst."

„Kindisch"
"Stimmt, kindisch. Du wolltest sie auf keinen Fall heiraten?"
"Doch, das ist ja der Schwachsinn, ich wollte schon, einerseits. Andererseits …"
Der dicke schwarze Kater horchte auf; was heiraten hieß, das wusste er. Da wäre Sybille jeden Tag und jede Nacht hier bei ihnen. Ob ihm das gefallen würde?
Die beiden Männer schwiegen, dann läutete das Telefon.

„Hallo."
„Ja, der ist hier."
"Sybilles Mutter, sie will dich sprechen."
"Hier Herbie, was ist? Ist sie zurück?"
„Ach ja, das ist ja schön."
Herbie schielte zu Jan hinüber.
„Nein, werde ich nicht."
"Ja, gut, ich fahr hin."
Herbie legte den Hörer auf, ging zu Jan hintüber, setzte sich neben ihn und legte eine Hand auf sein Knie.
„Sie ist wieder aufgetaucht."
"Wo ist sie?"
"Das wollte mir ihre Mutter nicht sagen."
„Du hast sie doch gar nicht gefragt."
"Ja, stimmt, sie hat mir gesagt, dass sie es mir nicht sagen wird."
"Und wo fährst du hin?"
"Mein Gott, bist du misstrauisch. Ich muss gehen, tschüss."
Weg war Herbie und Jan starrte mit weit offenen Augen auf die Tür. Da stimmte doch etwas nicht. Er dachte nach, oder er wartete auf eine Eingebung. Das kannte der Kater an ihm. Herbie wusste, wo Sybille war, und jetzt fuhr er hin. Aber wohin? Lange Erklärungen hatte er am Telefon nicht bekommen. Ein Wort musste genügt haben. Welches? Wochenendhaus, rief er laut. Das war’s. Da fuhr Herbie hin.

Jan raffte die Katzensachen zusammen, Futter, Klo und Körbchen. Der dicke schwarze Kater verfolgte seine Aktivitäten mit Interesse. Das hatte mit ihm zu tun.
"Komm, Dicker, wir müssen los. Ich lass mir Sybille nicht wegnehmen."
Schnell noch ins Badezimmer, das Nötigste für ihn selbst zusammen suchen und es ging los.

Der dicke schwarze Kater machte es sich in seinem Körbchen auf dem Vordersitz bequem und Jan startete mit ziemlich verbissener Miene den Wagen. Inzwischen war es ganz dunkel geworden.
"So ein falscher Hund."
„Dem werde ich die Suppe versalzen."
"Als ob der bei Sybille landen könnte."
In regelmäßigen Abständen stieß Jan diese kurzen Sätze aus. Der Kater hörte mit einem Ohr hin. Dachte aber, dass das alles nicht passiert wäre, wenn Jan nicht vorgestern die Bella mitgebracht hätte. Aber diese Einsicht hatte sich bei Jan noch nicht eingestellt.
Nach einer knappen Stunde bog Jan in einen schmalen Seitenweg ein und fuhr langsam an dunklen Grundstücken hinter Hecken vorbei. Da, da stand Herbies Wagen. Aber im Haus war kein Licht. Jan parkte seinen Wagen ein Stück weiter entfernt und vergewisserte sich, dass nirgendwo Licht war. Dann ging er zum Wagen zurück, ließ ihn an und fuhr langsam weiter bis zu einem Gasthaus, in dem Sybille gern Gäste unterbrachte, die nicht im Haus schlafen sollten.
Wir bleiben hier, Dicker. Die halte ich im Auge."
Jan fragte nach einem Zimmer, erkundigte sich, ob Herbie hier wohnte. Nein. Verdammt.
Oben im Zimmer wurden erst mal die Katzensachen ausgepackt, ein bisschen Trockenfutter gab es. Aber es bestand Aussicht auf ein Stückchen Fleisch, denn Jan ging gleich nach dem Auspacken nach unten, um zu Abend zu essen.
"Ich muss mich stärken, Dicker, wer weiß, was noch passiert heute Abend."
Nach einer Stunde stapste Jan die Treppe herauf, gab dem Kater ein Stück Schnitzel und stützte sich mühsam auf dem kleinen Tisch ab. Offensichtlich hatte er sich auch mit Alkoholischem gestärkt. Aber die Stärkung bewirkte das Gegenteil und der Kater sah mit Entsetzen, dass sein Jan auf den Boden sackte und sich auf dem Bettvorleger zusammenkuschelte. Er unterbrach sein verspätetes Abendessen und ging zu ihm hin. Heute roch er aber wieder besonders schlecht.
Mitten in der Nacht – der Kater saß am Fenster und sah in die Nacht hinaus – rappelte Jan sich auf, brummte und knurrte, zog seine Sachen aus und kroch ins Bett. Der Kater fand, dass es Zeit wurde und folgte ihm.
Der nächste Morgen war strahlend schön. Das Wetter jedenfalls. Jan erinnerte sich daran, was er hier tun wollte und stand schon verhältnismäßig früh auf. Er holte sich unten eine Kanne Kaffee und eine Zeitung, schluckte irgendwelche Tabletten und stieg nochmal ins Bett. Kaffeetrinken und Lesen konnte man ebenso gut im Liegen wie im Sitzen. Und der Kater lag auch lieber im Bett als auf dem kalten Boden.
Gegen elf Uhr war es dann soweit, dass sich Jan einer Begegnung mit Sybille und Herbie gewachsen fühlte. Der Kater sah, wie er sich reckte und streckte.

„Auf in den Kampf, mein Dicker. Bis gleich."

Tatsächlich war er gleich wieder da.
"Die verstecken sich vor mir, mein Dicker, Feiglinge."
Jan setzte sich an den Tisch, fischte einen Zettel aus seiner Brieftasche und schrieb ein paar Worte darauf.
"Komm, wir fahren heim Wir haben Besseres zu tun, als hinter einem falschen Freund und einer treulosen Freundin herzulaufen."
Jan packte die paar Klamotten zusammen, die sie dabei hatten. Der Kater nahm im Korb Platz und dann zogen sie los. Bei Herbies Auto hielt Jan an und steckte ihm den Zettel an die Windschutzscheibe. Beim Anfahren sah er stur geradeaus, aber der Kater, der neugierig über die Kopfstütze an seinem Sitz guckte, sah, wie Sybille und Herbie aus einem Feldweg kamen und auf das Hautor zugingen.
Zu Hause angekommen verschwand Jan erstmal im Badezimmer mit einem Buch und einer Flasche. Das kann dauern, dachte der dicke schwarze Kater und verschwand seinerseits. Das Telefon lockte Jan aus der Wanne.
"Du bist nicht ganz dicht. Du betrügst Sybille nach Strich und Faden und uns beschimpfst du in der übelsten Weise. Noch dazu auf einem offenen Zettel, den jeder lesen konnte."
"Gib mir sofort Sybille an den Apparat, ich will mit ihr sprechen. Schließlich ist sie meine Freundin und nicht deine."
"Meine Freundin ist sie nicht und deine ist sie nicht mehr."
"Das wollen wir mal sehen, gib sie mir jetzt sofort."
"Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. Ich bin hier in der Galerie und nicht bei Sybille. Und lass dir ja nicht einfallen, wieder zu ihr zu fahren, sie will dich nicht sehen."
Jan legte den Hörer auf und sagte zu seinem Kater: „Kommt Zeit, kommt Rat." Ihm war immer noch etwas eingefallen, das wusste der Kater. Er war immer derjenige gewesen, der zuletzt lachte. Jan stellte die Flasche, die er immer noch in der Hand gehabt hatte, beiseite. Sie war ohnehin leer. Er zog sich an, ging ins Atelier und sein ganzer Zorn grub sich in das Bild hinein.
Heute Abend war Ausstellungseröffnung. Herbie war noch ein paar Mal da gewesen. Vorgestern zuletzt, da hatte er mit seinem Assistenten die Bilder abgeholt. Jan und er hatten durchaus freundlich miteinander gesprochen. Aber der Kater hatte den frostigen Unterton wohl bemerkt. Von Sybille war nicht die Rede gewesen, das wäre ihm nicht entgangen. Er trauerte ihr immer noch nach. Ob es Jan genau so ging, wusste er nicht. Er hatte ihm nichts darüber gesagt. Heute Abend wird sie bestimmt in der Galerie sein. Wenn nicht wegen Jan, so doch wegen Herbie, kombinierte der Kater. Vielleicht konnte Jan dann alles einrenken. Die Aussichten waren gut, dachte er weiter, denn in den beiden Wochen seit Bella war Jan abends entweder gar nicht weggegangen oder aber allein wiedergekommen. Das musste Sybille doch honorieren.
Ja, und genauso dachte Jan auch. Als er sich fertig machte,um zur Vernissage zu gehen, nahm er den dicken schwarzen Kater auf den Arm und versprach ihm:
"Heute Abend bringe ich sie mit, da kannst du Gift drauf nehmen. Das schaff ich. Und dann halten wir sie einfach hier. Das freut dich doch auch, oder?"
Der dicke schwarze Kater verhielt sich still, ganz sicher war es nicht. Jan setzte ihn ab, ging nochmal ins Bad, kämmte sich, zupfte die Fliege zurecht, entfernte noch ein Staubkörnchen vom Revers seiner Samtjacke, drehte sich rechtsrum und linksrum und seufzte: Mein Gott, bin ich nervös.
Die Zeit ging dahin, der dicke schwarze Kater hatte schon seinen zweiten Rundgang beendet, da hörte er Aufzuggeräusche: Jan kommt. Jan kommt allein. Jan kommt schlurfend. Jan fummelt mit dem Schlüssel am Schloss herum. Alles ist aus. Gebückt kommt er zur Tür herein, mit einem Ruck nach vorn fällt er gegen die Wohnzimmertür. Von da mit einem weiteren Ruck auf die Couch. Ja, alles ist aus.

Am anderen Mittag sieht der dicke schwarze Kater wie Jan ins Atelier geht. Er kommt hinterher und da steht Jan neben der Staffelei, zieht ein Tuch von seinem neuesten Bild herunter.

Das ist ja Sybille, denkt der dicke schwarze Kater und hört, wie Jan ganz leise sagt: „Je t’aime, mon amour."

(c) Anne Pöttgen

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Eine  - fast - wahre Geschichte   

Ja, wer bist du denn? Wo kommst du denn her?
Schnurrrrr
Willst du mich besuchen? Du bist aber eine Süße.
Schnurrr !
Willst du dich ein bisschen umsehen, dann komm nur rein.
Schnurrrrr
Ja, guck nur, sieht etwas ungemütlich aus hier. Putztag. Mindestens die Vorderfenster müssen sauber sein, sonst lästern die Nachbarn über mich.
Schnurrrr ?
Das verstehst du nicht? Ich auch nicht, aber so ist es nun mal.
Schnurrrr ??
Ach, du möchtest was von mir. Na klar, das Kätzchen hat Hunger. Na komm, wir gehen in die Küche, da werden wir schon was finden.
Schnurrrr
Ja, da haben wir was, was Feines. Aber viel zu kalt, so aus dem Kühlschrank. Was machen wir denn da?
Schnurrrr !!!
Na, es eilt wohl. Ich brat es schnell an. Siehst du, das geht wirklich ganz schnell. Hmm, lecker.
Schnurr, hmm, schnurr, hmm.
Tapp, tapp, tapp.
Ja, hallo, du undankbarer Fratz – weg ist die Katz’.

Rat’ mal, wer mich heute besucht hat.
Irmi natürlich.
Nein, rat’ weiter.
Frau Nöbeling?
Nein, auch nicht. Eine himmlisch süße kleine Katze!
Ach nee, ist das ein weiterer Versuch, eine Katze ins Haus zu bekommen?

……..

Na komm, sei nicht beleidigt. Also keine Hintergedanken diesmal? Wie sah die Dame denn aus?
Viel schwarz, weißes Gesicht und Lätzchen. Und Hunger hatte sie. Unser Gulasch heute Abend wird wohl nicht so reichlich ausfallen.
Wenn’s weiter nichts ist. Sie ist doch hoffentlich nicht mehr hier?
Nein.

Ooh, da bist du ja wieder, pünktlich zum Mittagessen, wie? Als wenn ich es geahnt hätte, heute habe ich reichlich Tatar gekauft, da kann ich dir was abgeben.
Schnurrrr !


Hast Du heute Besuch gehabt?
Nö, eigentlich nicht.
Und was heißt „eigentlich" nicht?
Die Katze war wieder da, aber nur ganz kurz.
Und was gibt es zu essen?

Zwölf Uhr schon. Ob sie wohl auch heute kommt? Ist ja ein süßes Vieh. Schade, dass Peter keine Katzen mag. Zu wem mag sie wohl gehören? Ich müsste mal mit Frau Nöbeling darüber sprechen. Die weiß doch immer gut Bescheid über Hunde und Katzen in der Nachbarschaft.

Hallo Katze, komm rein. Na, ich tu dir doch nichts. So vorsichtig brauchst du doch nicht mehr zu sein.
Schnurrrr ?
Guck mal, was ich für dich habe. Das wird dir schmecken, was?
Schnurrr !

Sag mal, was haben eigentlich die Whiskas-Dosen in unserer Küche zu suchen? Willst du damit die Frikadellen strecken? Ach, ich Idiot, du erwartest Besuch ….
Ja, und weil ich nicht immer von unserem Essen etwas abzwacken will, da dachte ich ….

Tapp, tapp, tapp.

Aha, der Besuch. Treten sie näher, meine Dame, meine Frau kommt gleich. Sie ist noch in der Küche beschäftigt, hören sie den Dosenöffner surren?
Schnurrr
Soll ja ein angenehmes Geräusch in den Ohren von Vierbeinern sein.

Bleib weg von meinem Hosenbein, bestimmt haarst du. Nun lass das doch! Mausi, wo bleibst du denn??

Kommt sie immer um die gleiche Zeit?
Ja, so gegen zwölf. Du kannst ja in den Garten gehen, solange sie da ist. Der interessiert sie nämlich nicht.
Ja, mal sehen.

Schnurr, schnurr, schnurr.

Hast übrigens Recht gehabt, der Garten interessiert die Dame nicht. Dafür sitzt sie jetzt im hellen Sessel und haart vor sich hin.
Na, dann nimm sie doch runter.
Ja, gleich.

War die Katze heute Mittag wieder da?
Ja.
Weißt du inzwischen, wo sie hin gehört?
Frau Nöbeling meint, dass sie vielleicht bei Meiers, drei Häuser weiter …
Nö, glaub ich nicht, die haben doch einen Hund. Ich vermute, sie hat gar kein Zuhause, sonst käme sie nicht so regelmäßig.
Regelmäßig ja, aber schlafen tut sie woanders. Eben, kurz bevor du kamst, ist sie weg gegangen.
Warum hast du sie denn weggehen lassen? Ich hätte sie auch gern mal wieder gesehen.
Woher soll ich das denn wissen, du warst doch immer gegen eine Katze im Haus.
Ja, ja, bin ich immer noch, ich dachte nur ….

Sag mal, wie lange kommt die Katze eigentlich schon zu uns?
Na, zwei, drei Wochen ungefähr werden es wohl sein.
Also ich meine, wenn wir sie schon füttern, dann kann sie auch ganz hier wohnen. Warum sollen wir anderer Leute Katze füttern. Und wenn sie gar kein zu Hause hat? Draußen kann sie nicht mehr lange schlafen, es wird bald frieren.

Heute war sie übrigens gar nicht da.

Ach.

War die Katze heute da?

Nein heute wieder nicht.

War sie heute …..?

Nein ….

(c) Anne Pöttgen

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Das Gruselabenteuer 

"Zu verkaufen" stand auf dem Schild, in dessen Schatten ein dicker schwarzer Kater lag und schlief. Drei Personen kamen über den Kiesweg auf das Schild zu, die dickliche Maklerin, die den Verkauf des Hauses übernommen hatte und ihre ersten Interessenten, ein junger Mann und eine ältere Frau mit dichten grauen Haaren.
"Ich gehe schon mal voraus und schließe auf," sagte die Maklerin und beschleunigte ihre Schritte.
"Ach, sieh mal, Klaus, eine Katze."
Die ältere Frau, die Tante des jungen Mannes, ging auf das Tier zu, um es zu streicheln. Aber der Kater sprang auf, buckelte und stieß einen hässlichen Laut aus.
"Komm zurück und lass das Biest in Ruhe, der sieht aus, als ob er gerne kratzt und beißt."
Klaus zog seine Tante zurück, die ganz enttäuscht war.
"Ob der zum Haus gehört?"
"Hoffentlich nicht."

Zum Haus gehört, dachte der dicke schwarze Kater, umgekehrt ist es richtig: das Haus gehört mir. Irgendwie kam er sich bei diesem Gedanken größenwahnsinnig vor. Seit 15 Jahren wohnte er hier und sein Mütterchen, mindestens so alt wie er selbst - in Menschenjahren natürlich - war vor kurzem gestorben. Sie hatte ihm dieses Haus und einen dicken Batzen Geld hinterlassen, so dass er sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt machen musste. Sich auf Lebendfutter umzustellen, wäre ihm in seinem Alter wohl auch sehr schwer gefallen.
Er sah hinter den Leuten her und fragte sich, was die wohl hier wollten. Waren sie zu seiner Betreuung eingestellt worden, so wie Marta für die Betreuung seines Mütterchens da gewesen war? Dann war die Annäherung der Frau freundlich gemeint gewesen und er hätte nicht so katzig sein sollen. Aber aus dem Mittagsschlaf geweckt werden von einer fremden Person, die noch dazu gar nicht gut roch, da konnte er sich seinen Wutanfall verzeihen.
Brauchte er eigentlich Betreuung? Er kam doch so ganz gut zurecht. Marta versorgte ihn mit allem, was er brauchte. Doch halt, da fiel ihm wieder ein, Marta war ja auch gestorben. Gestern, oder war es schon vorgestern gewesen, lag sie mit offenen Augen und offenem Mund in ihrem Bett und als der Doktor kam, der auch am Abend vorher schon da gewesen war, da hatte der ihn gestreichelt und gesagt:
"Na, mein Dicker, jetzt bist du ganz allein. Aber ins Tierheim wirst du nicht müssen, bei der dicken Erbschaft, die du gemacht hast. Die arme Marta hat ja nicht mehr viel davon gehabt. Hätte noch ein paar Jahr mit dir zusammen leben sollen ohne alle Sorgen."
Also war das wohl doch die neue Betreuung. Der dicke schwarze Kater lief eilig ums Haus herum und zur Hintertür hinein um zu hören, was wohl vorne in der Halle geredet wurde.

"Eine sogenannte Fabrikantenvilla, alles großzügig, mehr als genug Raum. Ganz besonders interessant ist der angebaute Turm. Oben hat die vorherige Eigentümerin gewohnt, wie eine Einsiedlerin. Die beiden unteren Stockwerke haben praktisch leer gestanden, denn Feste hat sie in den letzten Jahren nicht mehr gefeiert. Und Besuche hatte sie keine. Die Freundinnen tot, die Verwandten ... na ja. Aber jetzt wollen wir mal zur Besichtigung kommen."
Stimmte sogar, was die Dickliche erzählt hatte, dachte der Kater, vor allem die Andeutung über die Verwandtschaft. Geier, nichts als Geier, hatte sein Mütterchen - Cäcilie von Borghausen - sie immer genannt. Hatten ihre Burg umkreist und auf ihren Tod gewartet. Das hatte sie oft zu Marta gesagt. Aber die werden sich wundern, hatte sie meist hinzu gesetzt.
Burg, das stimmte nicht ganz. Das Haus war keine hundert Jahre alt und keineswegs von einem Rittergeschlecht erbaut. Der Vater seiner Mütterchens hatte genug Geld gehabt, so ein riesiges Haus zu bauen. Sein Mütterchen hatte ihr Leben lang hier gewohnt. Als sie heiratete, war ihr Mann ins Haus gezogen, groß genug für sie beide und eine große Kinderschar war es ja. Aber aus der großen Kinderschar war nichts geworden. Ihr Mann, von dem sie oft erzählte, war im Krieg umgekommen. Schön und jung waren sie damals gewesen, beide.
Nach dem Krieg musste die Fabrik der Eltern wieder aufgebaut werden, da hatte sie keine Zeit gehabt, sich einen neuen Mann zu suchen. Die Auswahl war auch nicht groß gewesen und Kompromisse wollte sie nicht machen. Na, dem dicken schwarzen Kater konnte es recht sein, keine Konkurrenz. 
Die Küche und die sogenannten Gesellschaftsräume hatten die Leute jetzt besichtigt. Das sollten jetzt Büro- und Konferenzräume werden, hörte er. Wozu eigentlich Konferenzräume, was genau war das eigentlich? Die Frau sollte sich ein Zimmer aussuchen und sich um ihn kümmern, er hatte Hunger. Aber die Leute gingen gemeinsam die breite Treppe hinaus und verschwanden in den Wohnräumen, den früheren Wohnräumen.

"Das muss natürlich alles noch renoviert werden, das wird von den Erben übernommen", sagte die Dickliche und die beiden anderen brummten dazu.
"Die Möbel werden demnächst abgeholt, das meiste geht zur Auktion. Hatte ja einen guten Geschmack, die Frau von Borghausen. Das werden Sie erst recht in ihren Privaträumen sehen."
Weiter gingen sie die Treppe hinauf, während unten der dicke schwarze Kater knurrte. Als er oben nichts mehr hörte, entschloss er sich, hinter ihnen her zu laufen.
"Hier ist dann der Übergang vom Haus zum Turm, passen Sie ...".
Die Frau, sie hieß Emmi Bierbaum, knickte zusammen und stieß einen Schmerzenslaut aus. Die Warnung war zu spät gekommen.
"Passen Sie auf, wollte ich sagen, aber leider war es zu spät. Das tut mir leid." 
"Nicht Ihre Schuld, hätte besser aufpassen müssen."
Emmi Bierbaum setzte sich mit Unterstützung ihres Neffen in den nächsten Sessel, zog den Schuh aus und massierte ihren Knöchel.
"Wird schon nicht so schlimm sein. Bitte, Klaus, besichtige du weiter."
"Viel ist von hier aus nicht zu besichtigen, es geht nur hinunter in das Zimmer der Haushälterin und weiter unten zurück zur Halle."

Ein Poltern war zu hören, ein Schrei und
"Du verdammtes schwarzes Biest, was hat du hier verloren? Scher dich weg, sonst gibt es was."
Der Kater war längst weg. Die Dickliche war die letzten Stufen herunter gestürzt  und Klaus rutschte auf dem Hosenboden nach.
"Diese Treppe werden Sie nur selten benutzen, alle Räume oben im Turm sind auch von der Haupttreppe aus zu erreichen."
Die Dickliche und Klaus kamen durch die Halle wieder zur Haupttreppe und stiegen sie hinauf zu Emmi Bierbaum. Die hatte inzwischen den Schuh wieder angezogen und kam ihnen entgegen.

"Da sind wir also beide gestolpert, ob das eine schlechte Vorbedeutung ist?"
"Aber Tante Emmi, wer wird denn an so etwas glauben?"
"Ich, mein Lieber."
"Aber Tante Emmi, das Haus ist ideal gelegen. Wir können alles unterbringen. Das ganze Büro, oben deine und meine Einrichtung."
Die Dickliche hielt sich zurück. Das fand der dicke schwarze Kater ganz klug, er kapierte allerdings immer noch nicht, warum seine Betreuerin ein Büro einrichten musste und außerdem noch einen Neffen hier wohnen lassen wollte. Noch dazu einen, der keine Katzen leiden konnte. Dem musste er unbedingt zeigen, wer hier der Herr im Haus war. Er strich ganz vorsichtig an seinem Hosenbein entlang, so vorsichtig, dass der Mann es gar nicht merkte. Bis er hinunter sah und dem Kater geradewegs in die großen fahlen Augen.
"Warum starrst du mich so an. Geh weg, oder .."
Die Dickliche entschloss sich zu reden.
"Setzen wir uns doch einen Augenblick."
"Ich habe den Auftrag zum Verkauf vom Sprecher der Erbengemeinschaft. Neffen und Nichten der Verstorbenen."
"Ja, und?"
"Es scheint nicht unumstritten zu sein, dass die Erbengemeinschaft das Recht hat, das Haus zu verkaufen."
"Mit anderen Worten, wir sollen einen Vertrag mit Leuten schließen, die gar nicht die rechtmäßigen Erben sind?"
"Nein, nein, Erben schon. Nur dieses Haus gehört - dem Kater."
"Das soll wohl ein Witz sein?"
"Das denkt die Erbengemeinschaft auch und ihre Juristen sagen ihnen, dass ein Tier nicht erben kann."
"Also wo liegt das Problem?"
"Eine der Nichten ist der Auffassung, man müsse den letzten Willen der Verstorbenen respektieren. Das Tier sollte von der Haushälterin, die eine Rente erhalten hatte, versorgt werden, bis es stirbt. Nun ist allerdings die Haushälterin verstorben und das Haus soll möglichst schnell verkauft werden."
"Und was meint jene Nichte dazu?"
"Noch gar nichts, sie wohnt in Süddeutschland und weiß bisher nichts vom Tod der Haushälterin. Man will vollendete Tatsachen schaffen."
"Nun gut, Sie zeigen uns den Totenschein der Haushälterin und wir lassen uns bestätigen, dass ein Kater nicht erben kann. Tante Emmi, was meinst du?"
"So schön das Haus ist, ich habe Bedenken."
"Bis die rechtliche Seite geklärt ist, kannst du noch nachdenken, Tante Emmi."
Emmi Bierbaum wandte sich an die Dickliche:
"Klaus ist mein einziger Verwandter, ich würde ihm den Gefallen gern tun, aber ich brauche noch etwas Zeit."
"Das ist in Ordnung. Ich werde die Erbengemeinschaft verständigen und man wird sicher Verständnis haben."

Der dicke schwarze Kater war entsetzt. Man wollte ihm sein gutes Recht streitig machen. Fremde Leute sollten in seinem Haus wohnen. Die schönen Möbel seines Mütterchens sollten hinaus getragen werden. Die Tante schien Katzen ja leiden zu können, aber dieser Klaus - ein Ekel.
Er schlich in die Küche um nachzusehen, ob er noch irgendwo etwas zu beißen hatte. Nichts. Da hörte er Schritte, ah, die Dickliche.
"Na, du kleiner Racker, hast Hunger, was?"
Sie öffnete eine der Dosen, die auf dem Küchenschrank standen und gab ihm eine Portion auf den Teller. Gierig schlang er die Brocken, rutsch, rutsch, waren sie unten.
"Noch einen Nachschlag, ja?"
Schon gab es eine neue Portion, die ebenso schnell verschwand.
"Da muss ich mir aber etwas einfallen lassen," meinte die Dickliche.

Erfreulicherweise hatte sich die Dickliche tatsächlich etwas einfallen lassen. Jeden Morgen und jeden Nachmittag kam die Haushälterin aus der Nachbarvilla und gab dem dicken schwarzen Kater Futter aus den Dosen, die die Dickliche vorbei gebracht hatte.
Im Haus war es friedlich, nachdem die Möbel abgeholt und die Handwerker endlich fertig waren mit den Renovierungsarbeiten. Aber die Ruhe währte nicht lange, da wurden neue Möbel gebracht und der dicke schwarze Kater erinnerte sich, dass da einmal Leute gewesen waren, die hier wohnen wollten. Als erstes zog Tante Emmi ein. In Mütterchens frühere Privaträume.

Tante Emmi stand am Fenster ihres Turmzimmers und blickte hinunter auf die vielen gelben Blätter, die unter den Linden lagen. Dazwischen raschelten zwei Enten, die vom See herüber gekommen waren.
"Es ist Herbst geworden," sagte sie zu sich selbst und der dicke schwarze Kater stimmte ihr schweigend zu. Herbst war es und schon früh am Abend kalt und dunkel. Er strich nun wieder lieber durch das Haus als durch den Garten. Tante Emmi störte das nicht, sie mochte ihn ja. Es gab wieder morgens und abends Futter wie zu Zeiten von Mütterchen und Marta. 
Mütterchen und Marta hatte er übrigens jetzt schon zweimal des nachts in der Empfangshalle sitzen sehen, wie sie miteinander flüsterten.
"Es wird Herbst und es ist so dunkel im Haus. Wenn doch Klaus schon eingezogen wäre."
Ach, Tante Emmi sprach nicht mehr mit ihm, sie telefonierte mit ihrer Freundin Helga.
"Frühestens nächste Woche," antwortete sie auf eine Frage.
"Letzte Nacht hatte ich übrigens ein höchst merkwürdiges Erlebnis. Der schwere Vorhang vor der Tür zum Wohnzimmer blähte sich, als ob jemand die Tür dahinter weit geöffnet hätte. Ich war aufgewacht, weil ich ein Geräusch gehört hatte, als ob jemand, der am Stock geht, die Treppe heraufgekommen wäre."
"Nein, nein, es war natürlich niemand da, der Vorhang fiel wieder zurück und gehört habe ich auch nichts mehr."
"Ja, ja, es ist eben alles ungewohnt so kurz nach dem Einzug. Ich werde sobald wie möglich die Wendeltreppe abdecken lassen, von unten her zieht es ganz schön."
"Bis dann mal, Helga."
Tante Emmi ging hinüber ins Wohnzimmer, knipste alle Lampen an und setzte sich in ihren bequemen Ohrensessel. Der dicke schwarze Kater folgte ihr. Eigentlich war schon Essenszeit, aber hier oben war es gemütlich warm und so beschloss er, geduldig zu warten, bis Tante Emmi hinunter gehen würde, um sich selbst etwas zu essen zu machen. Bis dahin konnte er noch ein wenig schlafen.
Kaum war er eingeschlafen, schreckte er auch schon wieder hoch. Tante Emmi war aufgesprungen, hatte hysterisch geschrieen und rannte jetzt zum Fenster. Ob jemand auf dem Balkon war? Das war eigentlich unmöglich. Tante Emmi riss aber die Balkontür auf und schaute hinaus. Dann knallte sie sie wieder zu und ließ die Jalousie herunter. Zitternd saß sie jetzt in ihrem Sessel. Was mochte in ihr vorgehen?
Endlich hatte Tante Emmi sich beruhig, aber hier oben wollte sie nicht bleiben.
"Komm, Dicker, wir machen uns was zu essen."
Auch die Küche erstrahlte in hellstem Licht, als der dicke schwarze Kater zur Tür hereinkam. Das angenehme Geräusch des Dosenöffners zog ihn an. Erwartungsvoll setzte er sich hin - sprang aber gleich wieder hoch. Sein gelbes Bällchen war gegen seine Schwanzspitze gerollt.
"Was soll das denn?" fragte Emmi. 
"Ich dachte du hättest Hunger und nun willst du erst mit dem Bällchen spielen?"
Der dicke schwarze Kater sah sein Mütterchen an der Tür stehen und lächeln. Er legte seinen Kopf schief und versuchte zu verstehen.
"Komm und iss," sagte Emmi und der Kater sah zu ihr hin. Als er den Kopf wieder zur Tür wandte, war sein Mütterchen fort.
Tante Emmi macht ihr Abendessen zurecht, deckte den Tisch in der Küche und versuchte zu essen. Aber offensichtlich hatte sie keinen Appetit. Sie räumte alles wieder fort und ging langsam die Treppe hinauf in ihr Wohnzimmer.
Der dicke schwarze Kater hatte jedoch einen guten Appetit, aß alles auf und freute sich auf einen gemeinsamen Abend. Aber als er nach oben kam, stellte er fest, dass sein Mütterchen nicht da war. Tante Emmi hatte das Fernsehgerät eingeschaltet und starrte schweigend geradeaus ohne ihn zu beachten. Erst Stunden später stand sie auf und ging in ihr Schlafzimmer im Turm.
Dort wurde sie schon von seinem Mütterchen erwartet. Sie stand am Fenster, auf ihren Stock gestützt und starrte Tante Emmi an. Die trat einen Schritt zurück, als hätte sie etwas bemerkt und hätte ihn beinahe getreten. Er lief hinüber zu seinem Mütterchen und strich an ihrem langen Rock entlang. Tante Emmi starrte zu ihm hin und ließ das Glas mit Wasser fallen, das sie in der Hand hatte. Das erschreckte ihn so, dass er fort sprang und hinter seinem Mütterchen das Zimmer verließ. 
Sie gingen zusammen ins Wohnzimmer und sein Mütterchen verließ den Raum durch die Balkontür.

Am anderen Morgen herrschte schon früh eine hektische Atmosphäre. Klaus war da, frühstückte mit Tante Emmi und verschwand dann in den Büroräumen. Die Einrichtung sollte heute geliefert werden. Tante Emmi setzte mehrfach an, um ihm etwas über den gestrigen Tag zu erzählen, aber er wollte selbst über so vieles reden, dass sie einfach nicht dazu kam. 
Der Abend kam, Klaus blieb zum Essen. Heute wurde im Esszimmer nebenan gedeckt.
"Klaus," sagte Tante Emmi," ich muss dir etwas erzählen."
"Na, dann schieß mal los."
"Es spukt."
"Du spinnst. Entschuldige, Tante Emmi, aber das kann ich nicht glauben."
"Bleib heute nacht hier, dann kannst du es selbst erleben."
"Und wo soll ich schlafen? Meine Möbel kommen doch erst in der nächsten Woche."
Der dicke schwarze Kater hörte von der Tür her zu. Er fragte sich, ob sein Mütterchen auch diesen Klaus ärgern würde. Er wünschte es sich sehr, aber daraus wurde nichts.
"Nächsten Montag ziehe ich ein, dann können wir gemeinsam Gespenster jagen. Falls sie bis dahin noch existieren."
Er lachte und verspeiste mit gutem Appetit sein Essen. Tante Emmi schluckte den letzten Bissen hinunter und sagte ganz verzagt:
"Wie du meinst, Klaus."
"komm, Tante Emmi, wir trinken noch eine Flasche zusammen, dann hast du die nötige Bettschwere und schläfst durch bis morgen früh. Egal, ob es spukt," fügte er noch hinzu und grinste.
Klaus öffnete eine Flasche in der Küche und gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf. Klaus schenkte ein und hielt plötzlich inne. Tante Emmi starrte zur Tür, die ging auf.
"Wie von Geisterhand geöffnet", lachte Klaus.
"Da hast du dein Gespenst, das schwarze Vieh ist also immer noch hier."
Tante Emmi seufzte auf, lachte verlegen und ließ sich in den Sessel zurückfallen. 
"Vielleicht hast du Recht", sagte sie, aber es war ihr anzusehen, dass sie es nicht glaubte.
"Auf dein Wohl, Tante Emmi, und auf schöne Jahre hier in unserem Haus. Oder vielmehr in deinem Haus."
Klaus verabschiedete sich und Tante Emmi wurde es schwer ums Herz. Für eine Stunde hatte sie die letzte Nacht vergessen, aber nun stand die nächste bevor. Sie ging zum Fenster, um frische Luft herein zu lassen - und starrte in ein Gesicht.
Mein Spiegelbild, dachte sie, aber im nächsten Augenblick war das Gesicht, das Spiegelbild, verschwunden. Hatte sie sich gestern also doch nicht getäuscht. Draußen war jemand gewesen. Der dicke schwarze Kater sah, wie Tante Emmi zu weinen begann. Sie schluchzte wie ein kleines Kind.
"Was mach ich nur, was mach ich nur."
"Wenn ich die Polizei anrufen, dann lachen die mich doch aus. Ich sitze hier im zweiten Stock, wie soll da jemand auf den Balkon gekommen sein. Aber ich muss was unternehmen."
"Hier ist Emmi Bierbaum, Seestraße Nummer 10. Hier ist ein Einbrecher, ich habe ihn auf dem Balkon gesehen. Können Sie herkommen?"
"Nein, nicht in der Wohnung, auf dem Balkon. Jetzt ist er allerdings weg. Er wird aber noch auf dem Grundstück sein."
"Sie schicken also jemanden vorbei, danke."

Kurz danach klingelte es unten, Tante Emmi lief hinunter und sprach mit einem Polizisten. Der ging ums Haus, Tante Emmi und der dicke schwarze Kater hinterher.
"Sie sind vor kurzem erst eingezogen?"
"Ja, vor drei Tagen, nein, vor vier Tagen."
"Und Sie wohnen ganz allein in dem großen Haus?"
"Ja, aber nur für ein paar Tage, am Montag zieht mein Neffe ebenfalls hier ein."
"Ist das da oben der Balkon?"
"Ja."
Der Polizist leuchtete mit einer starken Taschenlampe nach oben.
"Haben Sie sich nicht doch geirrt? Ich kann gar nicht sehen, wie jemand da oben hin gekommen sein soll."
Tante Emmi starrte schweigend nach oben.
"Ich kann es mir eigentlich auch nicht vorstellen," sagte sie.
Seltsam,  dachte der dicke schwarze Kater, dass niemand sein Mütterchen sah. Sie stand doch deutlich sichtbar oben auf dem Balkon.
"Ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen, dass ich sie habe herkommen lassen."
"Macht nichts, wir werden die Augen offen halten und noch ein paar Mal hier vorbeifahren. Ein schönes großes Haus haben Sie da gekauft."
"Nicht für mich allein, sondern in erster Linie für meinen Neffen, er richtet sich hier ein Büro ein."
Der Polizist ging zum Auto zurück und die Scheinwerfer beleuchteten beim Zurücksetzen das ganze Haus. Auch den leeren Balkon.
Ganz langsam ging Tante Emmi zurück ins Haus. Als sie sah, dass der Kater drinnen war, schloss sie die Tür ab und verriegelte sie zusätzlich.
"Als ob das was nützen würde", sagte sie zum Kater und beide gingen die Treppe hinauf.

Ins Schlafzimmer ging Emmi aber noch nicht. Sie setzte sich hin, stand auf, setzte sich wieder und stand wieder auf. Dann hob sie einen kleinen Tisch auf und nahm ihn mit in ihr Schlafzimmer. Sie drehte ihn um und schob ihn über die Öffnung der Wendeltreppe. Das schien sie zu befriedigen, denn sie ging ganz beschwingt in ihr Badezimmer.
Der Kater saß neben ihrem Bett und wartete auf sie. Er bemerkte, dass sich der Tisch ein wenig verschob und dass sein Mütterchen heraufspähte. Als die Tür des Badezimmers aufging und Tante Emmi herauskam, schob sich der Tisch vorsichtig in seine vorherige Lage zurück.
Tante Emmi ging ins Bett, ließ aber alle Lichter an. Der Kater versuchte, sich am Bettende einzurichten, aber Tante Emmi schubste ihn hinunter. Soweit waren sie noch nicht, sie wohnten ja erst ein paar Tage zusammen.
Tante Emmi war eingeschlafen trotz der Helligkeit. Der dicke schwarze Kater hörte jemanden die Wendeltreppe herauf schlurfen. Das konnte nur Marta sein. Genauso hatte es sich immer angehört, wenn sie nachts heraufkam, um seinem Mütterchen noch etwas zu bringen. Der Kater spähte zur Treppe hin und sah, dass der Tisch sich wieder bewegte. Ja, es war Marta und dicht hinter ihr sein Mütterchen. Wollten sie beide hier oben schlafen, so wie früher manchmal, wenn sein Mütterchen krank war?
Nein, wohl nicht. Sie gingen langsam rückwärts die Treppe wieder hinunter. Nicht so leise, wie sie gekommen waren, nein, sie polterten tüchtig. Sie wollten, dass Tante Emmi sie hörte. 
Und sie wurde tatsächlich wach, sah sich um, sah nur den Kater. Aber sie hörte etwas. Sah zur Treppe. Der Tisch beiseite geschoben. Sie musste nachsehen. Nichts zu sehen, alles dunkel. Nur die schlurfenden, tapsenden Laute.
"Wer ist dann da, verdammt noch mal!
Was wollen Sie von mir?
Bleiben Sie stehen!"
Sie knipste das Licht an, das die Wendeltreppe beleuchtete. Aber sie sah immer noch nichts. Das machte sie mutig. Sie begann hinunter zu steigen, um endlich Klarheit zu bekommen.
Der dicke schwarze Kater schob sich vorsichtig bis zum Rand der Treppe. Gerade in diesem Augenblick hob sein Mütterchen den Stock. Emmi sah ihn - natürlich - nicht. Sie stürzte die Treppe hinunter und schlug unten auf dem Fliesenboden auf. Sein Mütterchen und Marta lachten und verschwanden, ohne sich um Emmi oder den Kater zu kümmern.

Als Klaus am nächsten Morgen kam, fand er seine Tante, seit Stunden schon tot. Er alarmierte einen Arzt, der die Polizei. Der Beamte, der in der Nacht da gewesen war, erinnerte sich, dass die Verstorbene jemanden im Haus gesehen hatte. 
Es wurde festgestellt, dass die Verstorbene nicht ausgerutscht war, sondern kopfüber hinunter gestoßen worden war.
Man stellte weiter fest, dass Klaus der einzige Erbe und ziemlich verschuldet war. Ein Alibi hatte er nicht.

Die süddeutsche Nichte der Cäcilie von Borghausen, die gegen den Verkauf des Hauses gewesen war, meinte, Tante Cäcilie habe irgendwie dafür gesorgt, dass das Haus doch dem dicken schwarzen Kater bliebe. 

Was aus Klaus wurde, hat der dicke schwarze Kater nie erfahren. Er wurde von der dicklichen Maklerin im Garten des zum Verkauf stehenden Hauses begraben. 

© Anne Pöttgen
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