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Die Geschichten sind von mir - Anne Pöttgen -
können gern übernommen werden, ich würde aber gern erfahren, von wem.
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"Ja, “ piepste es, „das kann man wohl sagen. Sie hat mich auf einer
Ausstellung afrikanischer Künstler gekauft.“
„Sicher nicht, weil du so schön bist“, meinte der blau Glasierte.
„Vielleicht nicht. Aber ich fühle mich so gut an. Schöner glatter Stein.
Ganz grau in grau.“ Das sagte er mit einem Seitenhieb auf den schwarz-weiß
gemusterten Kerl neben sich. Der stand nämlich mehr auf der Seite des blau
Glasierten und beachtete ihn nicht.
„Ja, und wo kommst du nun also her?“
„A-f-r-i-k-a !“
„Ho ho ho,“ lachte es hölzern und
„Ha, ha ha“, machte der Glasierte.
Aber sie glaubten es ihm doch, denn er sah so ganz anders aus als sie beide und
sie gehörten doch alle der gleichen Art an. Sein Mund war so üppig. Und seine
Ohren, ja spitz waren sie, aber sooo lang.
„Und deshalb siehst du so anders aus?“ fragte die hölzerne Stimme und
starrte ihn mit seinen kugelrunden Augen an.
„Nein, nicht weil ich aus Afrika komme, sondern weil der Künstler, der mich
gemacht hat, mich „Catbird“ nennen wollte und da musste er ein bisschen an
meiner äußeren Form arbeiten".
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„Aha“, mehr brachte der Glasierte nicht über die Lippen.
Nach einer kleinen Pause, in der alle drei wieder stumm vor sich hin starrten,
holte der Glasierte tief Luft und meinte:
„Also, ich bin von hier. Das wisst ihr ja. Dahinten die drei Kleinen auch,
aber die können nicht mitreden, die sind nicht glasiert.“
„Ja, und was heißt das nun wirklich „von hier“?
„Ich bin hier, hier in diesem Dorf gemacht worden. Aus Ton.“
Das sagte er ganz kurz und ein bisschen bescheiden. Ton war ja nichts gegen
Stein. Aber dafür glänzte er und der andere sah matt aus. Das baute ihn gleich
wieder auf.
„Und du, mein Lieber“, sagte er zu dem Hölzernen, „wo kommst du
her?“
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„Aus Polen“ sagte er stolz.
„Aus einem kleinen Dorf in Polen, in dem viel geschnitzt wurde. Hauptsächlich
Männer und Frauen und Heilige. Hin und wieder mal eine Katze, so wie ich, oder
Vögel.“
„Und hast du auch einen Namen?“ piepste Catbird.
„Nein, ich glaube nicht. Vielleicht hatte ich mal einen in meinem Dorf, aber
dann habe ich ihn vergessen“.
„Tja, und du?“ fragte er den blau Glasierten. Er wusste aber schon vorher,
dass der auch keinen Namen hatte.
„Wozu brauche ich einen Namen“ gab der ziemlich heftig zur Antwort.
„Wer soll mich denn anreden?“
„Na, wir beide, jedenfalls in Nächten wie dieser.“
Es zeigte sich immer mehr, dass Catbird dabei war, die Oberhand zu gewinnen. Und
der blau Glasierte, der sich bisher als Hauptfigur in der Dreierrunde gesehen
hatte, wurde immer giftiger. Er überlegt schon, ob er sich auf Catbird stürzen
sollte, um ihm eine zu verpassen, aber seine Vorderpfoten, schöne Vorderpfoten,
gewiss, waren nicht recht dazu geeignet.
Und letzten Endes, wer würde den Sturz von der Fensterbank besser überleben?
Ton oder Stein? Und er sah schon, der Hölzerne hielt sich raus.
"Was meint Ihr denn, wie soll ich mich nennen?" fragte der blau
Glasierte nach einiger Zeit.
"Das musst Du schon selber wissen, du tust doch sonst so schlau",
piepste Catbird und blickte irgendwie hochnäsig auf den blau Glasierten
herunter. Und ebenso hochnäsig ging er mit dem Hölzernen um.
"Und du, du Holzkopf, warum sagst du nichts?"
Der Hölzerne, der stur geradeaus starrte, fühlte sich aber nicht stur sondern
bekam einen Wutanfall. Holzkopf? Er fing an, leise vor sich hin zu schaukeln und
wupps, stieß er gegen Carbird, der nicht allzu fest auf seinem Bein stand - ja,
er hatte leider nur eins - und der rutschte von der Fensterbank und knallte mit
lautem Krach auf den Boden.
Dem blau Glasierten wurde angst und bange. Hatte er seit langem neben einem
Berserker gesessen? Er überlegte, wie seine Chancen standen, auf der
Fensterbank sitzen bleiben zu können. Gut standen sie, denn er saß fest auf
seinem dicken blauen Popo. So beruhigt er sich, seine blauen Augen blickten
himmelwärts und er beschloss, einfach den Mund zu halten.
Der Hölzerne saß wieder artig auf seinem Platz. Catbird gab natürlich auch
keinen Ton mehr von sich. Er war froh, dass er noch alle Glieder beieinander
hatte und hoffte, dass "Sie" ihn am Morgen wieder auf seinen
angestammten Platz setzen würde.
Und so war wieder Ruhe eingekehrt, schon ehe die Uhr die nächste Stunde schlug.
"Je t'aime mon amour."
Um Himmelswillen, jetzt ging das wieder los. Der dicke schwarze Kater nahm die
Pfote von seinem rechten Auge und blinzelte in Richtung Wohnzimmertür. Da waren
sie auch schon. Sein Jan und – herrje, schon wieder eine andere Dame. Gestern
hatte noch Sybille diese Worte gehört, heute vorbei. Jetzt hieß es für ihn,
vom Bett herunter und nach nebenan. Diese blödsinnigen Geräusche konnte er
nicht ausstehen, da schlief er lieber auf dem Teppich vor dem Kamin.
Lange dauerte es nicht, da kam Jan auf bloßen Füßen aus dem Schlafzimmer und
ging in die Küche. Jetzt holt er den Champagner, dachte der Kater, und richtig,
er kam pfeifend aus der Küche mit einer Flasche und zwei Gläsern und
verschwand wieder im Schlafzimmer.
Nachdem sie lange gejuchzt und gelacht hatten, kamen sie beide ins Wohnzimmer
und vertrieben den dicken schwarzen Kater vom Platz am Kamin. Er in Hemd und
Hose, sie nur mit einem Herrenhemd bekleidet. Wie ich diese Abende hasse, dachte
der Kater und ging wieder hinüber ins Schlafzimmer. Zurückkommen würden sie
nicht, Jan war schließlich schon fünfundvierzig.
Aber er war Kavalier. Bella, die Neue, zog sich an und beide verschwanden. Er
brachte sie nach Hause.
Singend kam Jan zurück, zufrieden. Er kramte noch ein bisschen in seinen
Skizzen, dann kam auch er ins Schlafzimmer und bald schliefen beide, sozusagen
Arm in Arm, denn der Kater hatte seinen Platz im Bett wieder eingenommen.
Schnarchen taten sie beide.
Draußen regnete es und so schlichen beide erst spät in die Küche. Der
Kater bekam sein Näpfchen gefüllt und Jan machte sich eine Kanne Kaffee.
Morgens war er längst nicht so gut in Form wie später am Tag. Heute war er
besonders lustlos, schlurfte durch die Wohnung, nahm dies und das zur Hand, nur
die Tür zu seinem Atelier mied er. Da warteten mehrere Bilder auf ihn, die zu
einem bestimmten Termin fertig werden sollten. Warum hatte er sich nur darauf
eingelassen, eine Ausstellung zu machen? Das hatte er den Kater schon mehrmals
gefragt, aber der hatte keine Lust ihm zu antworten. Beide wussten doch, warum.
Aus Eitelkeit.
Das Telefon klingelte.
„Ja natürlich, Herbie, ich bin fleißig dabei." Herbie der Galerist.
„Das glaubst du nicht? Dann komm doch vorbei und sieh es dir selbst an."
„Ja, dann bis gleich"."
Hektisch rannte Jan durch die Wohnung, um Ordnung herzustellen. Dann ins Atelier, die Palette vorbereitet. Als es dann klingelte, sah es tatsächlich so aus, als ob er schon seit Stunden arbeitete.
Herbie schien begeistert zu sein, der dicke schwarze Kater hörte seine
Ausrufe.
„Ja, so habe ich mir das vorgestellt, großartig. Aber wirst du auch
fertig?"
„Aber sicher, Herbie, ich habe noch nie jemanden hängen lassen. Und wenn ich
Tag und Nacht arbeiten muss."
„Da wird Sybille aber ärgerlich sein," meinte Herbie und grinste. Jan
grinste zurück und sagte:
„Mit Sicherheit nicht."
„Das ist beruhigend, dann hast du ja wirklich Zeit, um die Bilder fertig zu
machen."
Das Telefon klingelte und es begann ein Gespräch mit äußerst einsilbigen Antworten von Jan. Herbie wedelte mit der Hand, verschwand aus dem Atelier und machte es sich im Wohnzimmer bequem. Er war zufrieden und sprach äußerst liebenswürdig zu dem dicken schwarzen Kater, der sofort Anstalten machte, auf seinen Schoß zu springen. Aber soweit ging die Liebe nicht, schließlich hatte Herbie einen seiner besten Anzüge an.
„Ich will ja nicht indiskret sein, aber es sieht so aus, Sybille ist doch
nicht damit einverstanden, dich mal eine Zeit lang nicht zu sehen."
„Wie recht du hast," antwortete Jan. „aber jetzt trinken wir erst mal
was. Was möchtest du?"
„Um die Zeit nur Kaffee oder Sekt."
„Also Sekt."
Wieder kam Jan pfeifend aus der Küche mit einer Flasche und zwei Gläsern.
Champagner war den Damen vorbehalten, wusste der dicke schwarze Kater.
„Hast du auch alle Pressekontakte aufgegriffen, Herbie?"
„Na klar doch, ist doch auch für die Galerie wichtig."
„Und die Einladungen sind vorbereit?"
„Ja, die Entwürfe bringe ich dir in den nächsten Tagen vorbei. Ich hoffe,
dass du nicht mehr allzu viel ändern willst."
„Nein, nein, jetzt nicht mehr."
Herbie seufzte leise, Jan dagegen ungeniert laut. Der Kater dachte mit Schrecken an die Sitzungen wegen der Einladungen. Jan konnten sie nicht groß und prächtig genug sein, Herbie dagegen, ein Jungfraugeborener, kämpfe um jeden Cent, den er einsparen konnte. Schließlich ging alles zu seinen Lasten. Das hatte er auch jetzt wieder gedacht, denn als Jan, der ab und zu Gedanken lesen konnte, sagte:
„Ja, ich weiß, dass das alles zu deinen Lasten geht," lachte er laut
und knuffte Jan in die Seite.
„Na, dann prost nochmal."
Beide schienen zufrieden zu sein. Das freute den dicken schwarzen Kater, denn er liebte seinen Jan, auch wenn er häufig Grund zur Eifersucht hatte. Aber er dachte auch ein bisschen eigensüchtig. Wenn Jan so gut gelaunt blieb, ging er sicher gleich ins Atelier, um zu arbeiten, wenn Herbie weg war. Das war wichtig, denn von irgendwas musste ja das Essen gekauft werden.
Richtig, Jan lehnte sogar die Einladung zum Essen ab.
„Du, ich bin mitten in der Arbeit, das trocknet mir sonst ab. Aber ich wünsch
dir guten Appetit."
Jan ging ins Atelier, der dicke schwarze Kater auch, obwohl er den Geruch der Farben nicht mochte. Aber er wollte bei seinem Jan sein. Jan stellte das Radio an, griff zum Pinsel, griff zum Spachtel, die Farben flogen nur so auf die Leinwand.
Wenn die Leute wüssten, wie schnell das geht, ein Bild zu malen, dann
würden sie sicher nicht soviel dafür bezahlen, dachte der Kater. Diese
Weisheit hatte er von seinem Jan, der ihm alles anvertraute, was er so dachte
über die Leute und über das Leben. Erst recht nicht, wenn sie wüssten, wie
viel Spaß es machte, so mit den Farben zu kleistern. Für seinen Spaß würden
sie gar nichts bezahlen.
In Wirklichkeit zahlten sie ja auch gar nicht für das Bild, für das sie siech
entschieden. Sie zahlte dafür, dass sie in Zukunft damit angeben konnten, einen
„Jan Soundso" an der Wand zu haben, für den sie soundsoviel gezahlt
hatten, wie sie jedem Besucher hinter vorgehaltener Hand erzählen konnten.
Verstehen könnte ihn sowieso niemand, hatte er dem Kater anvertraut.
Aber anscheinend gab er die Hoffnung nicht auf, sonst würde er doch nicht immer
wieder neue Menschen, vorwiegend natürlich Frauen, hierher schleppen.
Jetzt wurde aber erst einmal wie wild gearbeitet. Zwei Bilder in zwei Tagen, das
war Rekord. Morgen, mit etwas Abstand, dann der letzte Schliff.
Jetzt hatte der dicke schwarze Kater Hunger. Ob es bald etwas gab? Auch der Jan
müsste doch auch einmal etwas essen. Nur Kaffee am Morgen und Sekt am
Nachmittag, das konnte ja wohl nicht ausreichen. Der dicke schwarze Kater erhob
sich, streckte sich und strich Jan um die Beine. Der merkte das gar nicht, so
vertief war er. Da half nur ein ganz gemeines Quäken. Nein auch nicht. Weiter
zu betteln, das war unter seiner Würde. Er machte die Tür zum Wohnzimmer auf
und ging weiter in die Küche, vielleicht lagen irgendwo noch ein paar Kräcker.
Nein. Schwer verärgert ging der Kater ins Schlafzimmer, öffnete die Tür des
Kleiderschrankes und legte sich auf ein frisch gebügeltes weißes Hemd.
Nach einiger Zeit hörte er Jan in der Küche rumoren. Aha, Abendessen aus der
Dose. Er zögerte kurz, ob er gehen sollte oder nicht, aber dann überwog sein
ganz gemeiner Hunger und er rannte so schnell er konnte, in die Küche.
„Na, wo bleibst du denn? Hattest wohl heute gar keinen Hunger?"
Der Kater bekam einen kurzen Wutanfall, wusste aber nicht, was er tun sollte,
um ihn auszudrücken. Es war nicht leicht mit Jan.
Lustlos schaufelte Jan sein warm Gemachtes in sich hinein. Spülte Bier
hinterher und starrte vor sich hin. Was sollte er tun, hier bleiben oder einen
Gang ins Städtchen tun. Diese Überlegung stellte er beinahe jeden Abend an.
Mal sprach er laut mit dem Kater darüber, mal dachte er leise vor sich hin.
Aber dass es jeden Abend dasselbe Problem war, das wusste der dicke schwarze
Kater ganz genau.
Gang ins Städtchen tun, das hieß, diese und jene Kneipe besuchen, etwas
trinken, etwas essen, etwas quatschen. Und anquatschen natürlich. Und manchmal
abschleppen. So wie gestern Bella. Wie der Kater das hasste. Es war ja ganz nett
von Jan, dass er ihm aller erzählte, aber leider konnte er Jan nicht sagen, wie
unangenehm es für ihn war, sich immer wieder auf eine Neue einzustellen. Kaum
hatte er sich an eine gewöhnt, war sie schon wieder passee.
Außer Sybille, die hatte ziemlich lange das Feld behauptet. Und sie hatte
seinen Jan glücklich gemacht, das hatte er ihr hoch angerechnet. Sie durfte ihn
streicheln, sogar auf den Arm nehmen. Ob sie wohl wiederkommen würde, obwohl
gestern diese Bella aufgetaucht war? So ging es ihm durch den Kopf, während er
ziemlich schnell seinen Napf leerte.
Jan schien ähnliche Gedanken zu wälzen.
"Ob ich die Sybille mal anrufe?" fragte er den Kater und sah ihm beim
Putzen zu.
Tja, das musst du selber wissen, dachte der Kater und putzte sich weiter. Ihm
wäre es schon recht. Aber Jan schien sich an das Telefonat von heute Morgen zu
erinnern. Da waren harte Worte gefallen, der Kater hatte es mithören können,
so laut hatte Sybille gesprochen. Gesprochen? Geschrieen!
Jan verschwand im Schlafzimmer, zog sich an und kam gut gelaunt wieder heraus.
„Na, dann geh ich mal, mein Dicker."
Der dicke schwarze Kater wäre auch gern auf Pirsch gegangen, aber das war nicht
möglich. Jan hatte es ihm oft genug erklärt. Und oft genug hatte er ihm
erzählt, wenn wieder mal die Katze eines Freundes „platt gefahren"
worden war. Was für ein grässliches Wort! Er konnte sich eigentlich nichts
Genaues darunter vorstellen, aber er hatte ein scheußliches Gefühl, wenn er es
hörte. Also strich er nur durch die Wohnung, von der Küche in die Diele, ins
Wohnzimmer, ins Schlafzimmer, zurück ins Wohnzimmer und dann ins Atelier.
"Je t’aime mon amour."
Schon wieder. Diesmal schon an der Korridortür. Aber irgendetwas war anders.
Kein Schwung in der Stimme, eher ein Lallen. Der dicke schwarze Kater flitzte
vom Bett herunter. Stockbesoffen – übrigens ein Ausdruck, den er selber oft
gebrauchte – kam Jan ins Wohnzimmer, allein. Dabei war er so gut gelaunt
losgezogen. Hatte auch gut ausgesehen.
Der nächste Morgen war noch grauer als der letzte. Und der Schnapskater
schlimmer als der von Champagner. Heute würden wir am liebsten im Bett bleiben.
Aber der Kater trieb Jan und der Hunger den Kater aus dem Bett. Erstmal ein
großes Glas Wodka und ein Napf Dosenfutter.
"Musste das sein, mein Dicker? Konnten wir nicht schön zu Hause
bleiben?"
Wir ist gut, dachte der dicke schwarze Kater und zwinkerte in bisschen.
"Weißt du, was Sybille gesagt hat? Nein, natürlich nicht. Ich sag es dir
jetzt: Du bist für mich gestorben, ein für allemal, tot, begraben."
Der Kater zwinkerte weiter.
"Gestorben, begraben, die wird sich wundern. Ich bin lebendiger als vorher.
Na, ja, heute Morgen nicht gerade. Aber später am Tag, da bin ich lebendig. Der
werde ich es zeigen."
Der Kater überlegte, was Jan der Sybille wohl zeigen wollte. Bilder natürlich,
was hatte er sonst zu zeigen? Sie schlurften nach nebenan und Jan fing an Farben
zu mischen. Zusehends wurde seine Laune besser und nach einer Viertelstunde war
er so vertieft, dass er alles um sich herum vergessen hatte. Der Kater kuschelte
sich unter der Heizung ein. Er würde nichts verpassen, wenn er jetzt ein
kleines Schläfchen machte.
Aber …
Es klingelte wie wild an der Tür. Jan schreckte hoch und knallte unwirsch
Pinsel und Putzlappen auf den Tisch. Wehe, wenn jetzt jemand störte, der keinen
triftigen Grund hatte. Der dicke schwarze Kater lief hinter Jan her zur Tür und
wartete mit ihm darauf, wer wohl aus dem Fahrstuhl kommen würde.
"Herbie, du schon wieder, du störst mich heute aber."
"Jan, hör doch erst, Sybille ist verschwunden!"
"Wieso verschwunden, gestern Abend hat sie mich doch noch wie irre
beschimpft."
"Sie ist nicht nach Hause gekommen heute Nacht. Ihre Mutter hat
herumtelefoniert wie wild. Niemand weiß, wo sie ist."
„Na, komm erst mal rein. Dann überlegen wir mal, wer sie wohl abgeschleppt
haben könnte."
"Erlaube mal, so eine ist Sybille nicht, das musst du doch wohl am besten
wissen."
"Ja, das hast du eigentlich recht. Aber gestern Abend war sie so wütend
wegen Bella, da trau ich ihr alles zu."
"Aber sie ist allein weggegangen aus dem Berger Hof."
"Dann ist sie eben noch in eine andere Kneipe gegangen."
"Um die Zeit hat keine mehr geöffnet, das weißt du doch."
"Stimmt," sagte Jan und ließ sich auf seine Couch fallen. Er strich
sich mit beiden Händen durchs Gesicht und sah danach aus wie ein Indianer auf
Kriegspfad. Herbie starrte ihn an, aber es war ihm nicht nach lachen zumute.
"Wieso kümmerst du dich eigentlich um Sybilles Verschwinden? So gut kennst
du sie doch gar nicht und ihre Mutter erst recht nicht."
Herbie sah verlegen zu Boden.
"Mensch, Herbie, du bist doch nicht etwa scharf auf sie?"
"Scharf auf sie ist nicht der richtige Ausdruck, mein Lieber. Ich habe
Sybille gern."
Schweigend saßen die beiden da. Der dicke schwarze Kater hatte längst kapiert,
dass da für ihn nichts zu holen war. Er legte sich beiseite, schloss die Augen,
spitzte aber seine Ohren. Immerhin ging es um Sybille.
"Was sollen wir also tun, Herbie?"
"Ich dachte, wir gehen zum Berger Hof und von da aus dann doch in alle
umliegenden Kneipen und fragen nach."
"Kommt mir vernünftig vor. Ich zieh mich eben um."
Jan ging ins Schlafzimmer, raste aber gleich danach durchs Wohnzimmer und ins
Badezimmer. Mit rot gescheuertem Gesicht kam er wieder zurück und machte sich
fertig.
Es war schon spät am Nachmittag, grau und dunkel. Die Korridortür ging auf,
schweigend kamen Jan und Herbie ins Zimmer.
"Whisky?" fragte Jan.
„Ja."
Schweigend saßen die beiden Männer da.
"Es tut mir jetzt verdammt leid, diese Sache mit Bella."
Jan stellte sein Glas ab und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab.
"Aber weißt du, Sybille hatte in letzter Zeit immer mal wieder von Heirat
gesprochen, das hat mich ziemlich genervt."
"Du wolltest ihr zeigen, dass du immer noch jede haben kannst, und dass du
nicht darauf verzichten willst."
„Kindisch"
"Stimmt, kindisch. Du wolltest sie auf keinen Fall heiraten?"
"Doch, das ist ja der Schwachsinn, ich wollte schon, einerseits.
Andererseits …"
Der dicke schwarze Kater horchte auf; was heiraten hieß, das wusste er. Da
wäre Sybille jeden Tag und jede Nacht hier bei ihnen. Ob ihm das gefallen
würde?
Die beiden Männer schwiegen, dann läutete das Telefon.
„Hallo."
„Ja, der ist hier."
"Sybilles Mutter, sie will dich sprechen."
"Hier Herbie, was ist? Ist sie zurück?"
„Ach ja, das ist ja schön."
Herbie schielte zu Jan hinüber.
„Nein, werde ich nicht."
"Ja, gut, ich fahr hin."
Herbie legte den Hörer auf, ging zu Jan hintüber, setzte sich neben ihn und
legte eine Hand auf sein Knie.
„Sie ist wieder aufgetaucht."
"Wo ist sie?"
"Das wollte mir ihre Mutter nicht sagen."
„Du hast sie doch gar nicht gefragt."
"Ja, stimmt, sie hat mir gesagt, dass sie es mir nicht sagen wird."
"Und wo fährst du hin?"
"Mein Gott, bist du misstrauisch. Ich muss gehen, tschüss."
Weg war Herbie und Jan starrte mit weit offenen Augen auf die Tür. Da stimmte
doch etwas nicht. Er dachte nach, oder er wartete auf eine Eingebung. Das kannte
der Kater an ihm. Herbie wusste, wo Sybille war, und jetzt fuhr er hin. Aber
wohin? Lange Erklärungen hatte er am Telefon nicht bekommen. Ein Wort musste
genügt haben. Welches? Wochenendhaus, rief er laut. Das war’s. Da fuhr Herbie
hin.
Jan raffte die Katzensachen zusammen, Futter, Klo und Körbchen. Der dicke
schwarze Kater verfolgte seine Aktivitäten mit Interesse. Das hatte mit ihm zu
tun.
"Komm, Dicker, wir müssen los. Ich lass mir Sybille nicht wegnehmen."
Schnell noch ins Badezimmer, das Nötigste für ihn selbst zusammen suchen und
es ging los.
Der dicke schwarze Kater machte es sich in seinem Körbchen auf dem
Vordersitz bequem und Jan startete mit ziemlich verbissener Miene den Wagen.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden.
"So ein falscher Hund."
„Dem werde ich die Suppe versalzen."
"Als ob der bei Sybille landen könnte."
In regelmäßigen Abständen stieß Jan diese kurzen Sätze aus. Der Kater
hörte mit einem Ohr hin. Dachte aber, dass das alles nicht passiert wäre, wenn
Jan nicht vorgestern die Bella mitgebracht hätte. Aber diese Einsicht hatte
sich bei Jan noch nicht eingestellt.
Nach einer knappen Stunde bog Jan in einen schmalen Seitenweg ein und fuhr
langsam an dunklen Grundstücken hinter Hecken vorbei. Da, da stand Herbies
Wagen. Aber im Haus war kein Licht. Jan parkte seinen Wagen ein Stück weiter
entfernt und vergewisserte sich, dass nirgendwo Licht war. Dann ging er zum
Wagen zurück, ließ ihn an und fuhr langsam weiter bis zu einem Gasthaus, in
dem Sybille gern Gäste unterbrachte, die nicht im Haus schlafen sollten.
Wir bleiben hier, Dicker. Die halte ich im Auge."
Jan fragte nach einem Zimmer, erkundigte sich, ob Herbie hier wohnte. Nein.
Verdammt.
Oben im Zimmer wurden erst mal die Katzensachen ausgepackt, ein bisschen
Trockenfutter gab es. Aber es bestand Aussicht auf ein Stückchen Fleisch, denn
Jan ging gleich nach dem Auspacken nach unten, um zu Abend zu essen.
"Ich muss mich stärken, Dicker, wer weiß, was noch passiert heute
Abend."
Nach einer Stunde stapste Jan die Treppe herauf, gab dem Kater ein Stück
Schnitzel und stützte sich mühsam auf dem kleinen Tisch ab. Offensichtlich
hatte er sich auch mit Alkoholischem gestärkt. Aber die Stärkung bewirkte das
Gegenteil und der Kater sah mit Entsetzen, dass sein Jan auf den Boden sackte
und sich auf dem Bettvorleger zusammenkuschelte. Er unterbrach sein verspätetes
Abendessen und ging zu ihm hin. Heute roch er aber wieder besonders schlecht.
Mitten in der Nacht – der Kater saß am Fenster und sah in die Nacht hinaus
– rappelte Jan sich auf, brummte und knurrte, zog seine Sachen aus und kroch
ins Bett. Der Kater fand, dass es Zeit wurde und folgte ihm.
Der nächste Morgen war strahlend schön. Das Wetter jedenfalls. Jan erinnerte
sich daran, was er hier tun wollte und stand schon verhältnismäßig früh auf.
Er holte sich unten eine Kanne Kaffee und eine Zeitung, schluckte irgendwelche
Tabletten und stieg nochmal ins Bett. Kaffeetrinken und Lesen konnte man ebenso
gut im Liegen wie im Sitzen. Und der Kater lag auch lieber im Bett als auf dem
kalten Boden.
Gegen elf Uhr war es dann soweit, dass sich Jan einer Begegnung mit Sybille und
Herbie gewachsen fühlte. Der Kater sah, wie er sich reckte und streckte.
„Auf in den Kampf, mein Dicker. Bis gleich."
Tatsächlich war er gleich wieder da.
"Die verstecken sich vor mir, mein Dicker, Feiglinge."
Jan setzte sich an den Tisch, fischte einen Zettel aus seiner Brieftasche und
schrieb ein paar Worte darauf.
"Komm, wir fahren heim Wir haben Besseres zu tun, als hinter einem falschen
Freund und einer treulosen Freundin herzulaufen."
Jan packte die paar Klamotten zusammen, die sie dabei hatten. Der Kater nahm im
Korb Platz und dann zogen sie los. Bei Herbies Auto hielt Jan an und steckte ihm
den Zettel an die Windschutzscheibe. Beim Anfahren sah er stur geradeaus, aber
der Kater, der neugierig über die Kopfstütze an seinem Sitz guckte, sah, wie
Sybille und Herbie aus einem Feldweg kamen und auf das Hautor zugingen.
Zu Hause angekommen verschwand Jan erstmal im Badezimmer mit einem Buch und
einer Flasche. Das kann dauern, dachte der dicke schwarze Kater und verschwand
seinerseits. Das Telefon lockte Jan aus der Wanne.
"Du bist nicht ganz dicht. Du betrügst Sybille nach Strich und Faden und
uns beschimpfst du in der übelsten Weise. Noch dazu auf einem offenen Zettel,
den jeder lesen konnte."
"Gib mir sofort Sybille an den Apparat, ich will mit ihr sprechen.
Schließlich ist sie meine Freundin und nicht deine."
"Meine Freundin ist sie nicht und deine ist sie nicht mehr."
"Das wollen wir mal sehen, gib sie mir jetzt sofort."
"Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. Ich bin hier in der Galerie und
nicht bei Sybille. Und lass dir ja nicht einfallen, wieder zu ihr zu fahren, sie
will dich nicht sehen."
Jan legte den Hörer auf und sagte zu seinem Kater: „Kommt Zeit, kommt
Rat." Ihm war immer noch etwas eingefallen, das wusste der Kater. Er war
immer derjenige gewesen, der zuletzt lachte. Jan stellte die Flasche, die er
immer noch in der Hand gehabt hatte, beiseite. Sie war ohnehin leer. Er zog sich
an, ging ins Atelier und sein ganzer Zorn grub sich in das Bild hinein.
Heute Abend war Ausstellungseröffnung. Herbie war noch ein paar Mal da gewesen.
Vorgestern zuletzt, da hatte er mit seinem Assistenten die Bilder abgeholt. Jan
und er hatten durchaus freundlich miteinander gesprochen. Aber der Kater hatte
den frostigen Unterton wohl bemerkt. Von Sybille war nicht die Rede gewesen, das
wäre ihm nicht entgangen. Er trauerte ihr immer noch nach. Ob es Jan genau so
ging, wusste er nicht. Er hatte ihm nichts darüber gesagt. Heute Abend wird sie
bestimmt in der Galerie sein. Wenn nicht wegen Jan, so doch wegen Herbie,
kombinierte der Kater. Vielleicht konnte Jan dann alles einrenken. Die
Aussichten waren gut, dachte er weiter, denn in den beiden Wochen seit Bella war
Jan abends entweder gar nicht weggegangen oder aber allein wiedergekommen. Das
musste Sybille doch honorieren.
Ja, und genauso dachte Jan auch. Als er sich fertig machte,um zur Vernissage zu
gehen, nahm er den dicken schwarzen Kater auf den Arm und versprach ihm:
"Heute Abend bringe ich sie mit, da kannst du Gift drauf nehmen. Das schaff
ich. Und dann halten wir sie einfach hier. Das freut dich doch auch, oder?"
Der dicke schwarze Kater verhielt sich still, ganz sicher war es nicht. Jan
setzte ihn ab, ging nochmal ins Bad, kämmte sich, zupfte die Fliege zurecht,
entfernte noch ein Staubkörnchen vom Revers seiner Samtjacke, drehte sich
rechtsrum und linksrum und seufzte: Mein Gott, bin ich nervös.
Die Zeit ging dahin, der dicke schwarze Kater hatte schon seinen zweiten
Rundgang beendet, da hörte er Aufzuggeräusche: Jan kommt. Jan kommt allein.
Jan kommt schlurfend. Jan fummelt mit dem Schlüssel am Schloss herum. Alles ist
aus. Gebückt kommt er zur Tür herein, mit einem Ruck nach vorn fällt er gegen
die Wohnzimmertür. Von da mit einem weiteren Ruck auf die Couch. Ja, alles ist
aus.
Am anderen Mittag sieht der dicke schwarze Kater wie Jan ins Atelier geht. Er kommt hinterher und da steht Jan neben der Staffelei, zieht ein Tuch von seinem neuesten Bild herunter.
Das ist ja Sybille, denkt der dicke schwarze Kater und hört, wie Jan ganz leise sagt: „Je t’aime, mon amour."
(c) Anne Pöttgen
Ja, wer bist du denn? Wo kommst du denn her?
Schnurrrrr
Willst du mich besuchen? Du bist aber eine Süße.
Schnurrr !
Willst du dich ein bisschen umsehen, dann komm nur rein.
Schnurrrrr
Ja, guck nur, sieht etwas ungemütlich aus hier. Putztag. Mindestens die
Vorderfenster müssen sauber sein, sonst lästern die Nachbarn über mich.
Schnurrrr ?
Das verstehst du nicht? Ich auch nicht, aber so ist es nun mal.
Schnurrrr ??
Ach, du möchtest was von mir. Na klar, das Kätzchen hat Hunger. Na komm, wir
gehen in die Küche, da werden wir schon was finden.
Schnurrrr
Ja, da haben wir was, was Feines. Aber viel zu kalt, so aus dem Kühlschrank.
Was machen wir denn da?
Schnurrrr !!!
Na, es eilt wohl. Ich brat es schnell an. Siehst du, das geht wirklich ganz
schnell. Hmm, lecker.
Schnurr, hmm, schnurr, hmm.
Tapp, tapp, tapp.
Ja, hallo, du undankbarer Fratz – weg ist die Katz’.
Rat’ mal, wer mich heute besucht hat.
Irmi natürlich.
Nein, rat’ weiter.
Frau Nöbeling?
Nein, auch nicht. Eine himmlisch süße kleine Katze!
Ach nee, ist das ein weiterer Versuch, eine Katze ins Haus zu bekommen?
……..
Na komm, sei nicht beleidigt. Also keine
Hintergedanken diesmal? Wie sah die Dame denn aus?
Viel schwarz, weißes Gesicht und Lätzchen. Und Hunger hatte sie. Unser Gulasch
heute Abend wird wohl nicht so reichlich ausfallen.
Wenn’s weiter nichts ist. Sie ist doch hoffentlich nicht mehr hier?
Nein.
Ooh, da bist du ja wieder, pünktlich zum
Mittagessen, wie? Als wenn ich es geahnt hätte, heute habe ich reichlich Tatar
gekauft, da kann ich dir was abgeben.
Schnurrrr !
Hast Du heute Besuch gehabt?
Nö, eigentlich nicht.
Und was heißt „eigentlich" nicht?
Die Katze war wieder da, aber nur ganz kurz.
Und was gibt es zu essen?
Zwölf Uhr schon. Ob sie wohl auch heute kommt? Ist ja ein süßes Vieh. Schade, dass Peter keine Katzen mag. Zu wem mag sie wohl gehören? Ich müsste mal mit Frau Nöbeling darüber sprechen. Die weiß doch immer gut Bescheid über Hunde und Katzen in der Nachbarschaft.
Hallo Katze, komm rein. Na, ich tu dir doch nichts.
So vorsichtig brauchst du doch nicht mehr zu sein.
Schnurrrr ?
Guck mal, was ich für dich habe. Das wird dir schmecken, was?
Schnurrr !
Sag mal, was haben eigentlich die Whiskas-Dosen in
unserer Küche zu suchen? Willst du damit die Frikadellen strecken? Ach, ich
Idiot, du erwartest Besuch ….
Ja, und weil ich nicht immer von unserem Essen etwas abzwacken will, da dachte
ich ….
Tapp, tapp, tapp.
Aha, der Besuch. Treten sie näher, meine Dame,
meine Frau kommt gleich. Sie ist noch in der Küche beschäftigt, hören sie den
Dosenöffner surren?
Schnurrr
Soll ja ein angenehmes Geräusch in den Ohren von Vierbeinern sein.
Bleib weg von meinem Hosenbein, bestimmt haarst du. Nun lass das doch! Mausi, wo bleibst du denn??
Kommt sie immer um die gleiche Zeit?
Ja, so gegen zwölf. Du kannst ja in den Garten gehen, solange sie da ist. Der
interessiert sie nämlich nicht.
Ja, mal sehen.
Schnurr, schnurr, schnurr.
Hast übrigens Recht gehabt, der Garten
interessiert die Dame nicht. Dafür sitzt sie jetzt im hellen Sessel und haart
vor sich hin.
Na, dann nimm sie doch runter.
Ja, gleich.
War die Katze heute Mittag wieder da?
Ja.
Weißt du inzwischen, wo sie hin gehört?
Frau Nöbeling meint, dass sie vielleicht bei Meiers, drei Häuser weiter …
Nö, glaub ich nicht, die haben doch einen Hund. Ich vermute, sie hat gar kein
Zuhause, sonst käme sie nicht so regelmäßig.
Regelmäßig ja, aber schlafen tut sie woanders. Eben, kurz bevor du kamst, ist
sie weg gegangen.
Warum hast du sie denn weggehen lassen? Ich hätte sie auch gern mal wieder
gesehen.
Woher soll ich das denn wissen, du warst doch immer gegen eine Katze im Haus.
Ja, ja, bin ich immer noch, ich dachte nur ….
Sag mal, wie lange kommt die Katze eigentlich schon
zu uns?
Na, zwei, drei Wochen ungefähr werden es wohl sein.
Also ich meine, wenn wir sie schon füttern, dann kann sie auch ganz hier
wohnen. Warum sollen wir anderer Leute Katze füttern. Und wenn sie gar kein zu
Hause hat? Draußen kann sie nicht mehr lange schlafen, es wird bald frieren.
Heute war sie übrigens gar nicht da.
Ach.
War die Katze heute da?
Nein heute wieder nicht.
War sie heute …..?
Nein ….
(c) Anne Pöttgen
"Zu verkaufen" stand auf dem Schild, in dessen Schatten ein dicker
schwarzer Kater lag und schlief. Drei Personen kamen über den Kiesweg auf das
Schild zu, die dickliche Maklerin, die den Verkauf des Hauses übernommen hatte
und ihre ersten Interessenten, ein junger Mann und eine ältere Frau mit dichten
grauen Haaren.
"Ich gehe schon mal voraus und schließe auf," sagte die Maklerin und
beschleunigte ihre Schritte.
"Ach, sieh mal, Klaus, eine Katze."
Die ältere Frau, die Tante des jungen Mannes, ging auf das Tier zu, um es zu
streicheln. Aber der Kater sprang auf, buckelte und stieß einen hässlichen
Laut aus.
"Komm zurück und lass das Biest in Ruhe, der sieht aus, als ob er gerne
kratzt und beißt."
Klaus zog seine Tante zurück, die ganz enttäuscht war.
"Ob der zum Haus gehört?"
"Hoffentlich nicht."
Zum Haus gehört, dachte der dicke schwarze Kater, umgekehrt ist es richtig:
das Haus gehört mir. Irgendwie kam er sich bei diesem Gedanken
größenwahnsinnig vor. Seit 15 Jahren wohnte er hier und sein Mütterchen,
mindestens so alt wie er selbst - in Menschenjahren natürlich - war vor kurzem
gestorben. Sie hatte ihm dieses Haus und einen dicken Batzen Geld hinterlassen,
so dass er sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt machen musste. Sich auf
Lebendfutter umzustellen, wäre ihm in seinem Alter wohl auch sehr schwer
gefallen.
Er sah hinter den Leuten her und fragte sich, was die wohl hier wollten. Waren
sie zu seiner Betreuung eingestellt worden, so wie Marta für die Betreuung
seines Mütterchens da gewesen war? Dann war die Annäherung der Frau freundlich
gemeint gewesen und er hätte nicht so katzig sein sollen. Aber aus dem
Mittagsschlaf geweckt werden von einer fremden Person, die noch dazu gar nicht
gut roch, da konnte er sich seinen Wutanfall verzeihen.
Brauchte er eigentlich Betreuung? Er kam doch so ganz gut zurecht. Marta
versorgte ihn mit allem, was er brauchte. Doch halt, da fiel ihm wieder ein,
Marta war ja auch gestorben. Gestern, oder war es schon vorgestern gewesen, lag
sie mit offenen Augen und offenem Mund in ihrem Bett und als der Doktor kam, der
auch am Abend vorher schon da gewesen war, da hatte der ihn gestreichelt und
gesagt:
"Na, mein Dicker, jetzt bist du ganz allein. Aber ins Tierheim wirst du
nicht müssen, bei der dicken Erbschaft, die du gemacht hast. Die arme Marta hat
ja nicht mehr viel davon gehabt. Hätte noch ein paar Jahr mit dir zusammen
leben sollen ohne alle Sorgen."
Also war das wohl doch die neue Betreuung. Der dicke schwarze Kater lief eilig
ums Haus herum und zur Hintertür hinein um zu hören, was wohl vorne in der
Halle geredet wurde.
"Eine sogenannte Fabrikantenvilla, alles großzügig, mehr als genug
Raum. Ganz besonders interessant ist der angebaute Turm. Oben hat die vorherige
Eigentümerin gewohnt, wie eine Einsiedlerin. Die beiden unteren Stockwerke
haben praktisch leer gestanden, denn Feste hat sie in den letzten Jahren nicht
mehr gefeiert. Und Besuche hatte sie keine. Die Freundinnen tot, die Verwandten
... na ja. Aber jetzt wollen wir mal zur Besichtigung kommen."
Stimmte sogar, was die Dickliche erzählt hatte, dachte der Kater, vor allem die
Andeutung über die Verwandtschaft. Geier, nichts als Geier, hatte sein
Mütterchen - Cäcilie von Borghausen - sie immer genannt. Hatten ihre Burg
umkreist und auf ihren Tod gewartet. Das hatte sie oft zu Marta gesagt. Aber die
werden sich wundern, hatte sie meist hinzu gesetzt.
Burg, das stimmte nicht ganz. Das Haus war keine hundert Jahre alt und
keineswegs von einem Rittergeschlecht erbaut. Der Vater seiner Mütterchens
hatte genug Geld gehabt, so ein riesiges Haus zu bauen. Sein Mütterchen hatte
ihr Leben lang hier gewohnt. Als sie heiratete, war ihr Mann ins Haus gezogen,
groß genug für sie beide und eine große Kinderschar war es ja. Aber aus der
großen Kinderschar war nichts geworden. Ihr Mann, von dem sie oft erzählte,
war im Krieg umgekommen. Schön und jung waren sie damals gewesen, beide.
Nach dem Krieg musste die Fabrik der Eltern wieder aufgebaut werden, da hatte
sie keine Zeit gehabt, sich einen neuen Mann zu suchen. Die Auswahl war auch
nicht groß gewesen und Kompromisse wollte sie nicht machen. Na, dem dicken
schwarzen Kater konnte es recht sein, keine Konkurrenz.
Die Küche und die sogenannten Gesellschaftsräume hatten die Leute jetzt
besichtigt. Das sollten jetzt Büro- und Konferenzräume werden, hörte er. Wozu
eigentlich Konferenzräume, was genau war das eigentlich? Die Frau sollte sich
ein Zimmer aussuchen und sich um ihn kümmern, er hatte Hunger. Aber die Leute
gingen gemeinsam die breite Treppe hinaus und verschwanden in den Wohnräumen,
den früheren Wohnräumen.
"Das muss natürlich alles noch renoviert werden, das wird von den Erben
übernommen", sagte die Dickliche und die beiden anderen brummten dazu.
"Die Möbel werden demnächst abgeholt, das meiste geht zur Auktion. Hatte
ja einen guten Geschmack, die Frau von Borghausen. Das werden Sie erst recht in
ihren Privaträumen sehen."
Weiter gingen sie die Treppe hinauf, während unten der dicke schwarze Kater
knurrte. Als er oben nichts mehr hörte, entschloss er sich, hinter ihnen her zu
laufen.
"Hier ist dann der Übergang vom Haus zum Turm, passen Sie ...".
Die Frau, sie hieß Emmi Bierbaum, knickte zusammen und stieß einen
Schmerzenslaut aus. Die Warnung war zu spät gekommen.
"Passen Sie auf, wollte ich sagen, aber leider war es zu spät. Das tut mir
leid."
"Nicht Ihre Schuld, hätte besser aufpassen müssen."
Emmi Bierbaum setzte sich mit Unterstützung ihres Neffen in den nächsten
Sessel, zog den Schuh aus und massierte ihren Knöchel.
"Wird schon nicht so schlimm sein. Bitte, Klaus, besichtige du
weiter."
"Viel ist von hier aus nicht zu besichtigen, es geht nur hinunter in das Zimmer
der Haushälterin und weiter unten zurück zur Halle."
Ein Poltern war zu hören, ein Schrei und
"Du verdammtes schwarzes Biest, was hat du hier verloren? Scher dich weg,
sonst gibt es was."
Der Kater war längst weg. Die Dickliche war die letzten Stufen herunter
gestürzt und Klaus rutschte auf dem Hosenboden nach.
"Diese Treppe werden Sie nur selten benutzen, alle Räume oben im Turm sind
auch von der Haupttreppe aus zu erreichen."
Die Dickliche und Klaus kamen durch die Halle wieder zur Haupttreppe und stiegen
sie hinauf zu Emmi Bierbaum. Die hatte inzwischen den Schuh wieder angezogen und
kam ihnen entgegen.
"Da sind wir also beide gestolpert, ob das eine schlechte Vorbedeutung
ist?"
"Aber Tante Emmi, wer wird denn an so etwas glauben?"
"Ich, mein Lieber."
"Aber Tante Emmi, das Haus ist ideal gelegen. Wir können alles
unterbringen. Das ganze Büro, oben deine und meine Einrichtung."
Die Dickliche hielt sich zurück. Das fand der dicke schwarze Kater ganz klug,
er kapierte allerdings immer noch nicht, warum seine Betreuerin ein Büro
einrichten musste und außerdem noch einen Neffen hier wohnen lassen wollte.
Noch dazu einen, der keine Katzen leiden konnte. Dem musste er unbedingt zeigen,
wer hier der Herr im Haus war. Er strich ganz vorsichtig an seinem Hosenbein
entlang, so vorsichtig, dass der Mann es gar nicht merkte. Bis er hinunter sah
und dem Kater geradewegs in die großen fahlen Augen.
"Warum starrst du mich so an. Geh weg, oder .."
Die Dickliche entschloss sich zu reden.
"Setzen wir uns doch einen Augenblick."
"Ich habe den Auftrag zum Verkauf vom Sprecher der Erbengemeinschaft.
Neffen und Nichten der Verstorbenen."
"Ja, und?"
"Es scheint nicht unumstritten zu sein, dass die Erbengemeinschaft das
Recht hat, das Haus zu verkaufen."
"Mit anderen Worten, wir sollen einen Vertrag mit Leuten schließen, die
gar nicht die rechtmäßigen Erben sind?"
"Nein, nein, Erben schon. Nur dieses Haus gehört - dem Kater."
"Das soll wohl ein Witz sein?"
"Das denkt die Erbengemeinschaft auch und ihre Juristen sagen ihnen, dass
ein Tier nicht erben kann."
"Also wo liegt das Problem?"
"Eine der Nichten ist der Auffassung, man müsse den letzten Willen der
Verstorbenen respektieren. Das Tier sollte von der Haushälterin, die eine Rente
erhalten hatte, versorgt werden, bis es stirbt. Nun ist allerdings die
Haushälterin verstorben und das Haus soll möglichst schnell verkauft
werden."
"Und was meint jene Nichte dazu?"
"Noch gar nichts, sie wohnt in Süddeutschland und weiß bisher nichts vom
Tod der Haushälterin. Man
will vollendete Tatsachen schaffen."
"Nun gut, Sie zeigen uns den Totenschein der Haushälterin und wir lassen
uns bestätigen, dass ein Kater nicht erben kann. Tante Emmi, was meinst
du?"
"So schön das Haus ist, ich habe Bedenken."
"Bis die rechtliche Seite geklärt ist, kannst du noch nachdenken, Tante
Emmi."
Emmi Bierbaum wandte sich an die Dickliche:
"Klaus ist mein einziger Verwandter, ich würde ihm den Gefallen gern tun,
aber ich brauche noch etwas Zeit."
"Das ist in Ordnung. Ich werde die Erbengemeinschaft verständigen und man
wird sicher Verständnis haben."
Der dicke schwarze Kater war entsetzt. Man wollte ihm sein gutes Recht
streitig machen. Fremde Leute sollten in seinem Haus wohnen. Die schönen Möbel
seines Mütterchens sollten hinaus getragen werden. Die Tante schien Katzen ja
leiden zu können, aber dieser Klaus - ein Ekel.
Er schlich in die Küche um nachzusehen, ob er noch irgendwo etwas zu beißen
hatte. Nichts. Da hörte er Schritte, ah, die Dickliche.
"Na, du kleiner Racker, hast Hunger, was?"
Sie öffnete eine der Dosen, die auf dem Küchenschrank standen und gab ihm eine
Portion auf den Teller. Gierig schlang er die Brocken, rutsch, rutsch, waren sie
unten.
"Noch einen Nachschlag, ja?"
Schon gab es eine neue Portion, die ebenso schnell verschwand.
"Da muss ich mir aber etwas einfallen lassen," meinte die Dickliche.
Erfreulicherweise hatte sich die Dickliche tatsächlich etwas einfallen
lassen. Jeden Morgen und jeden Nachmittag kam die Haushälterin aus der
Nachbarvilla und gab dem dicken schwarzen Kater Futter aus den Dosen, die die
Dickliche vorbei gebracht hatte.
Im Haus war es friedlich, nachdem die Möbel abgeholt und die Handwerker endlich
fertig waren mit den Renovierungsarbeiten. Aber die Ruhe währte nicht lange, da
wurden neue Möbel gebracht und der dicke schwarze Kater erinnerte sich, dass da
einmal Leute gewesen waren, die hier wohnen wollten. Als erstes zog Tante Emmi
ein. In Mütterchens frühere Privaträume.
Tante Emmi stand am Fenster ihres Turmzimmers und blickte hinunter auf die
vielen gelben Blätter, die unter den Linden lagen. Dazwischen raschelten zwei
Enten, die vom See herüber gekommen waren.
"Es ist Herbst geworden," sagte sie zu sich selbst und der dicke
schwarze Kater stimmte ihr schweigend zu. Herbst war es und schon früh am Abend
kalt und dunkel. Er strich nun wieder lieber durch das Haus als durch den
Garten. Tante Emmi störte das nicht, sie mochte ihn ja. Es gab wieder morgens
und abends Futter wie zu Zeiten von Mütterchen und Marta.
Mütterchen und Marta hatte er übrigens jetzt schon zweimal des nachts in der
Empfangshalle sitzen sehen, wie sie miteinander flüsterten.
"Es wird Herbst und es ist so dunkel im Haus. Wenn doch Klaus schon
eingezogen wäre."
Ach, Tante Emmi sprach nicht mehr mit ihm, sie telefonierte mit ihrer Freundin
Helga.
"Frühestens nächste Woche," antwortete sie auf eine Frage.
"Letzte Nacht hatte ich übrigens ein höchst merkwürdiges Erlebnis. Der
schwere Vorhang vor der Tür zum Wohnzimmer blähte sich, als ob jemand die Tür
dahinter weit geöffnet hätte. Ich war aufgewacht, weil ich ein Geräusch
gehört hatte, als ob jemand, der am Stock geht, die Treppe heraufgekommen
wäre."
"Nein, nein, es war natürlich niemand da, der Vorhang fiel wieder zurück
und gehört habe ich auch nichts mehr."
"Ja, ja, es ist eben alles ungewohnt so kurz nach dem Einzug. Ich werde sobald
wie möglich die Wendeltreppe abdecken lassen, von unten her zieht es ganz
schön."
"Bis dann mal, Helga."
Tante Emmi ging hinüber ins Wohnzimmer, knipste alle Lampen an und setzte sich
in ihren bequemen Ohrensessel. Der dicke schwarze Kater folgte ihr. Eigentlich war schon Essenszeit, aber hier oben war es gemütlich warm und so
beschloss er, geduldig zu warten, bis Tante Emmi hinunter gehen würde, um sich
selbst etwas zu essen zu machen. Bis dahin konnte er noch ein wenig schlafen.
Kaum war er eingeschlafen, schreckte er auch schon wieder hoch. Tante Emmi war
aufgesprungen, hatte hysterisch geschrieen und rannte jetzt zum Fenster. Ob
jemand auf dem Balkon war? Das war eigentlich unmöglich. Tante Emmi riss aber
die Balkontür auf und schaute hinaus. Dann knallte sie sie wieder zu und ließ
die Jalousie herunter. Zitternd saß sie jetzt in ihrem Sessel. Was mochte in
ihr vorgehen?
Endlich hatte Tante Emmi sich beruhig, aber hier oben wollte sie nicht bleiben.
"Komm, Dicker, wir machen uns was zu essen."
Auch die Küche erstrahlte in hellstem Licht, als der dicke schwarze Kater zur
Tür hereinkam. Das angenehme Geräusch des Dosenöffners zog ihn an.
Erwartungsvoll setzte er sich hin - sprang aber gleich wieder hoch. Sein gelbes
Bällchen war gegen seine Schwanzspitze gerollt.
"Was soll das denn?" fragte Emmi.
"Ich dachte du hättest Hunger und nun willst du erst mit dem Bällchen
spielen?"
Der dicke schwarze Kater sah sein Mütterchen an der Tür stehen und lächeln.
Er legte seinen Kopf schief und versuchte zu verstehen.
"Komm und iss," sagte Emmi und der Kater sah zu ihr hin. Als er den
Kopf wieder zur Tür wandte, war sein Mütterchen fort.
Tante Emmi macht ihr Abendessen zurecht, deckte den Tisch in der Küche und
versuchte zu essen. Aber offensichtlich hatte sie keinen Appetit. Sie räumte
alles wieder fort und ging langsam die Treppe hinauf in ihr Wohnzimmer.
Der dicke schwarze Kater hatte jedoch einen guten Appetit, aß alles auf und
freute sich auf einen gemeinsamen Abend. Aber als er nach oben kam, stellte er
fest, dass sein Mütterchen nicht da war. Tante Emmi hatte das Fernsehgerät
eingeschaltet und starrte schweigend geradeaus ohne ihn zu beachten. Erst
Stunden später stand sie auf und ging in ihr Schlafzimmer im Turm.
Dort wurde sie schon von seinem Mütterchen erwartet. Sie stand am Fenster, auf
ihren Stock gestützt und starrte Tante Emmi an. Die trat einen Schritt zurück,
als hätte sie etwas bemerkt und hätte ihn beinahe getreten. Er lief hinüber
zu seinem Mütterchen und strich an ihrem langen Rock entlang. Tante Emmi
starrte zu ihm hin und ließ das Glas mit Wasser fallen, das sie in der Hand
hatte. Das erschreckte ihn so, dass er fort sprang und hinter seinem Mütterchen
das Zimmer verließ.
Sie gingen zusammen ins Wohnzimmer und sein Mütterchen verließ den Raum durch
die Balkontür.
Am anderen Morgen herrschte schon früh eine hektische Atmosphäre. Klaus war
da, frühstückte mit Tante Emmi und verschwand dann in den Büroräumen. Die
Einrichtung sollte heute geliefert werden. Tante Emmi setzte mehrfach an, um ihm
etwas über den gestrigen Tag zu erzählen, aber er wollte selbst über so
vieles reden, dass sie einfach nicht dazu kam.
Der Abend kam, Klaus blieb zum Essen. Heute wurde im Esszimmer nebenan gedeckt.
"Klaus," sagte Tante Emmi," ich muss dir etwas erzählen."
"Na, dann schieß mal los."
"Es spukt."
"Du spinnst. Entschuldige, Tante Emmi, aber das kann ich nicht
glauben."
"Bleib heute nacht hier, dann kannst du es selbst erleben."
"Und wo soll ich schlafen? Meine Möbel kommen doch erst in der nächsten
Woche."
Der dicke schwarze Kater hörte von der Tür her zu. Er fragte sich, ob sein
Mütterchen auch diesen Klaus ärgern würde. Er wünschte es sich sehr, aber
daraus wurde nichts.
"Nächsten Montag ziehe ich ein, dann können wir gemeinsam Gespenster
jagen. Falls sie bis dahin noch existieren."
Er lachte und verspeiste mit gutem Appetit sein Essen. Tante Emmi schluckte den
letzten Bissen hinunter und sagte ganz verzagt:
"Wie du meinst, Klaus."
"komm, Tante Emmi, wir trinken noch eine Flasche zusammen, dann hast du die
nötige Bettschwere und schläfst durch bis morgen früh. Egal, ob es
spukt," fügte er noch hinzu und grinste.
Klaus öffnete eine Flasche in der Küche und gemeinsam stiegen sie die Treppe
hinauf. Klaus schenkte ein und hielt plötzlich inne. Tante Emmi starrte zur
Tür, die ging auf.
"Wie von Geisterhand geöffnet", lachte Klaus.
"Da hast du dein Gespenst, das schwarze Vieh ist also immer noch
hier."
Tante Emmi seufzte auf, lachte verlegen und ließ sich in den Sessel
zurückfallen.
"Vielleicht hast du Recht", sagte sie, aber es war ihr anzusehen, dass
sie es nicht glaubte.
"Auf dein Wohl, Tante Emmi, und auf schöne Jahre hier in unserem Haus.
Oder vielmehr in deinem Haus."
Klaus verabschiedete sich und Tante Emmi wurde es schwer ums Herz. Für eine
Stunde hatte sie die letzte Nacht vergessen, aber nun stand die nächste bevor.
Sie ging zum Fenster, um frische Luft herein zu lassen - und starrte in ein
Gesicht.
Mein Spiegelbild, dachte sie, aber im nächsten Augenblick war das Gesicht, das
Spiegelbild, verschwunden. Hatte sie sich gestern also doch nicht getäuscht.
Draußen war jemand gewesen. Der dicke schwarze Kater sah, wie Tante Emmi zu
weinen begann. Sie schluchzte wie ein kleines Kind.
"Was mach ich nur, was mach ich nur."
"Wenn ich die Polizei anrufen, dann lachen die mich doch aus. Ich sitze
hier im zweiten Stock, wie soll da jemand auf den Balkon gekommen sein. Aber ich
muss was unternehmen."
"Hier ist Emmi Bierbaum, Seestraße Nummer 10. Hier ist ein Einbrecher, ich
habe ihn auf dem Balkon gesehen. Können Sie herkommen?"
"Nein, nicht in der Wohnung, auf dem Balkon. Jetzt ist er allerdings weg.
Er wird aber noch auf dem Grundstück sein."
"Sie schicken also jemanden vorbei, danke."
Kurz danach klingelte es unten, Tante Emmi lief hinunter und sprach mit einem
Polizisten. Der ging ums Haus, Tante Emmi und der dicke schwarze Kater
hinterher.
"Sie sind vor kurzem erst eingezogen?"
"Ja, vor drei Tagen, nein, vor vier Tagen."
"Und Sie wohnen ganz allein in dem großen Haus?"
"Ja, aber nur für ein paar Tage, am Montag zieht mein Neffe ebenfalls hier
ein."
"Ist das da oben der Balkon?"
"Ja."
Der Polizist leuchtete mit einer starken Taschenlampe nach oben.
"Haben Sie sich nicht doch geirrt? Ich kann gar nicht sehen, wie jemand da
oben hin gekommen sein soll."
Tante Emmi starrte schweigend nach oben.
"Ich kann es mir eigentlich auch nicht vorstellen," sagte sie.
Seltsam, dachte der dicke schwarze Kater, dass niemand sein Mütterchen
sah. Sie stand doch deutlich sichtbar oben auf dem Balkon.
"Ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen, dass ich sie habe herkommen
lassen."
"Macht nichts, wir werden die Augen offen halten und noch ein paar Mal hier
vorbeifahren. Ein schönes großes Haus haben Sie da gekauft."
"Nicht für mich allein, sondern in erster Linie für meinen Neffen, er
richtet sich hier ein Büro ein."
Der Polizist ging zum Auto zurück und die Scheinwerfer beleuchteten beim
Zurücksetzen das ganze Haus. Auch den leeren Balkon.
Ganz langsam ging Tante Emmi zurück ins Haus. Als sie sah, dass der Kater
drinnen war, schloss sie die Tür ab und verriegelte sie zusätzlich.
"Als ob das was nützen würde", sagte sie zum Kater und beide gingen
die Treppe hinauf.
Ins Schlafzimmer ging Emmi aber noch nicht. Sie setzte sich hin, stand auf,
setzte sich wieder und stand wieder auf. Dann hob sie einen kleinen Tisch auf
und nahm ihn mit in ihr Schlafzimmer. Sie drehte ihn um und schob ihn über die
Öffnung der Wendeltreppe. Das schien sie zu befriedigen, denn sie ging ganz
beschwingt in ihr Badezimmer.
Der Kater saß neben ihrem Bett und wartete auf sie. Er bemerkte, dass sich der
Tisch ein wenig verschob und dass sein Mütterchen heraufspähte. Als die Tür
des Badezimmers aufging und Tante Emmi herauskam, schob sich der Tisch
vorsichtig in seine vorherige Lage zurück.
Tante Emmi ging ins Bett, ließ aber alle Lichter an. Der Kater versuchte, sich
am Bettende einzurichten, aber Tante Emmi schubste ihn hinunter. Soweit waren
sie noch nicht, sie wohnten ja erst ein paar Tage zusammen.
Tante Emmi war eingeschlafen trotz der Helligkeit. Der dicke schwarze Kater
hörte jemanden die Wendeltreppe herauf schlurfen. Das konnte nur Marta sein.
Genauso hatte es sich immer angehört, wenn sie nachts heraufkam, um seinem
Mütterchen noch etwas zu bringen. Der Kater spähte zur Treppe hin und sah,
dass der Tisch sich wieder bewegte. Ja, es war Marta und dicht hinter ihr sein
Mütterchen. Wollten sie beide hier oben schlafen, so wie früher manchmal, wenn
sein Mütterchen krank war?
Nein, wohl nicht. Sie gingen langsam rückwärts die Treppe wieder hinunter.
Nicht so leise, wie sie gekommen waren, nein, sie polterten tüchtig. Sie
wollten, dass Tante Emmi sie hörte.
Und sie wurde tatsächlich wach, sah sich um, sah nur den Kater. Aber sie hörte
etwas. Sah zur Treppe. Der Tisch beiseite geschoben. Sie musste nachsehen.
Nichts zu sehen, alles dunkel. Nur die schlurfenden, tapsenden Laute.
"Wer ist dann da, verdammt noch mal!
Was wollen Sie von mir?
Bleiben Sie stehen!"
Sie knipste das Licht an, das die Wendeltreppe beleuchtete. Aber sie sah immer
noch nichts. Das machte sie mutig. Sie begann hinunter zu steigen, um endlich
Klarheit zu bekommen.
Der dicke schwarze Kater schob sich vorsichtig bis zum Rand der Treppe. Gerade
in diesem Augenblick hob sein Mütterchen den Stock. Emmi sah ihn - natürlich -
nicht. Sie stürzte die Treppe hinunter und schlug unten auf dem Fliesenboden
auf. Sein Mütterchen und Marta lachten und
verschwanden, ohne sich um Emmi oder den Kater zu kümmern.
Als Klaus am nächsten Morgen kam, fand er seine Tante, seit Stunden schon
tot. Er alarmierte einen Arzt, der die Polizei. Der Beamte, der in der Nacht da
gewesen war, erinnerte sich, dass die Verstorbene jemanden im Haus gesehen
hatte.
Es wurde festgestellt, dass die Verstorbene nicht ausgerutscht war, sondern
kopfüber hinunter gestoßen worden war.
Man stellte weiter fest, dass Klaus der einzige Erbe und ziemlich verschuldet
war. Ein Alibi hatte er nicht.
Die süddeutsche Nichte der Cäcilie von Borghausen, die gegen den Verkauf des Hauses gewesen war, meinte, Tante Cäcilie habe irgendwie dafür gesorgt, dass das Haus doch dem dicken schwarzen Kater bliebe.
Was aus Klaus wurde, hat der dicke schwarze Kater nie erfahren. Er wurde von der dicklichen Maklerin im Garten des zum Verkauf stehenden Hauses begraben.
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